Hamburg. Der US-Trompeter kam mit seiner erstklassigen Band in den neuen Hamburger Jazzclub. Ein Konzertabend mit eher ungewöhnlichem Ende.

„Jazz is dead“ heißt es auf Theo Crokers 2022er-Album „Love Quantum“. Nun ist der Jazz zwar nicht tot, aber der US-Trompeter meint mit diesem Satz auch etwas anderes: Jazz als Museumsstück, als unveränderbares Relikt aus der Vergangenheit – da ist kein Leben drin. Und so setzt er bei seinem Auftritt im gerade eröffneten Nica Jazz Club am Alten Wall musikalisch einiges daran, Erwartungen an ein klassisches Jazzkonzert zu unterlaufen.

Da gibt es mal sphärische, mal kräftig losbretternde Beats aus dem Computer, da gibt es Spoken-Word-Passagen und lustvoll eingestreute Halleffekte, die an Dub-Reggae-Größen wie Lee Perry oder King Tubby erinnern. Schon ein starkes Statement, dass Nica-Geschäftsführerin Fee Schlennstedt gleich zu Anfang (auch) Künstlerinnen und Künstler in Hamburgs neuesten Jazzclub holt, die den Genrebegriff erweitern und am Mainstream kaum interessiert sind.

Theo Croker im Nica Jazz Club: Spalierlaufen durchs begeisterte Publikum

Zu Beginn wirkt es zwar noch so, als fremdele das Publikum ein wenig mit den Soundexperimenten, die da von der Bühne kommen, aber spätestens im zweiten Teil – auf die eigentlich vorgesehene Pause verzichtet Croker, man ist halt gerade so gut im Groove – wird die Stimmung mit jeder Minute euphorischer. Was nicht nur am Star im Bühnenmittelpunkt liegt, dessen Trompetensound mal an Nils Petter Molvær, mal an Roy Hargrove erinnert. Croker hat auch eine exzellente Band mitgebracht: Idris Frederick am Keyboard, Eric Wheeler am Bass und Miguel Russell am Schlagzeug, das sind allesamt Ausnahmemusiker, die ihre solistischen Einlagen aus dem Handgelenk zu schütteln scheinen.

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An Routine sei er nicht interessiert, sagt Croker zwischen zwei Stücken. Man spiele die Nummern jeden Abend anders, auch wenn die Versatzstücke dieselben sind. Ein klares Bekenntnis zu Spontanität und Experimentierfreude, das am Ende frenetisch beklatscht wird. Für die Musiker übrigens hautnah zu spüren, ist im Nica Jazz Club ihre Garderobe doch so gelegen, dass sie durch ein Publikumsspalier gehen müssen, um dorthin zu gelangen. Aber wer täte das nicht gern, bei dieser Begeisterung.

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