Hamburg. Spektakulärer Auftritt des erst 23 Jahre alten Pianisten Alexander Malofeev, ausgesprochen virtuos zeigte sich auch das Orchester.
Wenn einmal ein etwas weniger bekanntes Werk auf dem Programm eines seiner Symphoniker-Konzerte steht, was gar nicht so selten vorkommt, dann wendet sich Sylvain Cambreling eigentlich immer mit ein paar einleitenden und garantiert lustmachenden Worten an sein Publikum. So auch am Sonntag beim 2. Symphoniekonzert in der Laeiszhalle, als er mit leuchtenden Augen von Elliott Carters „Three Illusions For Orchestra“ sprach, die der fast schon 100-jährige Amerikaner kurz nach der Jahrtausendwende für das Boston Symphony Orchestra komponiert hatte. „Dreimal dreieinhalb Minuten himmlische Musik“, schwärmte der Chefdirigent, „drei Stücke voller Poesie, voller Transparenz und Leichtigkeit. Was man erst mal hinkriegen muss in so hohem Alter.“
Sprach‘s und ließ das erste Klangbild „Micomicón“ von Carter nach einer Episode aus Cervantes’ „Don Quijote“ gleich mit einem zarten Beckenakzent im Schlagwerk und einer Klangfläche in den geteilten Streichern anheben, die von punktuellen Einwürfen der Blechbläser aus allen Richtungen konterkariert wurde. Die fantastischen Holzbläser der Symphoniker Hamburg und ein Pianist gesellten sich dazu, bevor der Pauker Mathias Kessler auf vier Pauken und sein Kollege zur Verstärkung auch noch auf Trommeln voller Härte einschlugen.
Symphoniker Hamburg in der Laeiszhalle: Himmlische Musik und Sorge um den Flügel
Die zweite Illusion „Fons Juventatis“ ließ mit einem aufsprudelnden Orchestereinsatz und auffälligen Ratschen im Schlagzeug den römischen Gott Jupiter auftreten und begleitet von einem kurzen Trompetensolo und einem wahren Regen an Streicherpizzicati glänzen, bevor Carter mit schwankend sich verwandelnden Akkordbändern im letzten Satz ein Klangbild von Thomas Morus’ „Utopia“ malt.
Was danach folgte, brauchte nicht mehr anmoderiert zu werden, denn bei Camille Saint-Saëns’ Klavierkonzert Nr. 2 g-Moll op. 22 war mit Alexander Malofeev ein Solist zu erleben, der mit seiner Virtuosität alle Aufmerksamkeit und bewunderndes Staunen auf sich zog. Der russische, erst 23 Jahre alte Pianist liebt den großen Klang und fegte mit einer Technik und Brillanz durch die oft sehr impulsiven Steigerungen dieses Werkes, dass es ein Vergnügen war. Fantastisch war auch das Zusammenspiel im Allegro scherzando, wo nach einem galoppierenden Paukensolo der Rhythmus durch alle Orchesterregister sprang und von feurigen Läufen im Klavier fortgerissen wurde. In einer Sarabande von Bach als Zugabe zeigte Malofeev, dass er auch zartere Töne anzuschlagen imstande ist, während man bei der zweiten Zugabe, einer Toccata von Prokofjew, wieder um die Unversehrtheit des Flügels fürchten musste, so kraftvoll hämmerte der junge Solist hier auf die Tasten.
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Den Schwung dieses Virtuosenkonzerts für ein nicht minder virtuos spielendes Orchester retteten die Symphoniker und Cambreling gleich in Antonín Dvořáks Symphonie Nr. 8 G-Dur op. 88 im zweiten Teil hinüber. Als die Celli begleitet von gezupften Kontrabässen das Seitenthema des Kopfsatzes zelebrierten und die zweite Flöte, die bei Dvořák oft genug genauso schöne Soli hat wie die erste, helle Klangtupfer darüberlegte, kamen die Qualitäten dieses Orchesters genauso schön zur Geltung wie bei dem verspielten Adagio mit seinen harmonisch so aparten Klarinetteneinwürfen und einem Konzertmeistersolo von Adrian Iliescu und natürlich dem rauschenden Rondo am Ende.
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