Hamburg. Drei Nationalkomponisten-Generationen in der Elbphilharmonie: Petr Popelka und das Prager Radio-Sinfonieorchester präsentierten Repertoire-Perlen.

Ein Orchester aus Prag, der Dirigent in Prag geboren, also, eher gar nicht überraschend: ausschließlich tschechische Komponisten auf dem Programm? Na ja, nun. Daraus könnte ein lahmer Klischee-Abend werden, wenn man es sich einfach machen möchte. Geht aber auch anders, unkonventioneller und horizonterweiternder. Dafür haben Petr Popelka und das Prager Radio-Sinfonieorchester beim Packen ihres Tourneegepäcks Richtung Elbphilharmonie die ausgeleierten Schunkelstücke im Regal gelassen und stattdessen beherzt und stolz in die Nischen gegriffen, die mit den Perlchen.

Drei Generationen, zwei Vertonungen von märchenhaften Stoffen, nur ein bekannter Name als Scharnier, den dann aber mit Randrepertoire: Antonín Dvořák war Lehrer – und wurde zusätzlich zum Schwiegervater – von Josef Suk; Suk wiederum unterrichtete Bohuslav Martinů. Und die jeweiligen Handschriften hört man, mal mehr, mal weniger, deutlich mit. Wären die drei Herren auch noch in der historisch richtigen Reihenfolge gespielt worden, hätte dieses Konzept die volle Punktzahl erreicht.

Elbphilharmonie Hamburg: Popelka und die Prager – Tschechisches für Fortgeschrittene

Martinůs „La Bagarre“ war ein fast schon fotorealistisches Zeitstück, die Momentaufnahme aus Noten eines hektischen Menschengewusels in der Mitte der 1920er – fröhliches Themen-Gerempel, ständiges Gewusel in allen Stimmen, von einem erhöhten Grundpuls angetrieben. Ein sehr gepflegtes Durcheinander, mit dem Martinů die aufgedrehte Großstadtstimmung dieser Epoche in einen Zehnminüter komprimiert hatte und bei dem Popelka gekonnt den Schiedsrichter gab.

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Dort durfte und musste geradezu alles drunter und drüber gehen, aber in Martinůs 2. Violinkonzert hatte Popelka aufmerksamst dafür zu sorgen (was ihm gut gelang), dem auf süffige Virtuosität angelegten Solo-Part ja keine Ablenkungs-Details in den Weg kommen zu lassen. Josef Špačeks Ton, voluminös und eingedunkelt, eindringlich und erzählstark, passte bestens zum rhapsodisch ausschweifenden Charakter dieses Stücks. Bittersüßes Schmachten, das luftig-leichte Postkarten-Idyll des zweiten Satzes, die folkloristischen Anspielungen und das finale Auftrumpfen? Alles in allem: eine Entdeckung.

Die „Mittagshexe“ als Heimspiel für das Orchester aus Prag

(Schauer-)Märchenhaft ging es weiter, zunächst mit Dvoraks Balladenvertonung „Die Mittagshexe“, ein Märchenviertelstündchen, in dem das Orchester mit einigen Solo-Instrumenten die böse endende Geschichte um ein quengelndes Kind toll nachzeichnet. Heimspiel für die Prager und Popelka; wenn sie diese Musik nicht auch mit einem Arm auf den Rücken gebunden noch tadellos hinbekämen, wäre Grundlegendes verkehrt.

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Großdramatischer, erwachsener im Erzählton und die noch schönere Entdeckung war Suks viersätzige „Pohádka“-Suite, wieder ein Märchen, wieder einige Anleihen in der Volksmusik; der Konzertmeister konnte mit anspruchsvollen Soli glänzen, das Tutti mit Schwung und Feinzeichnung auch dieses Personalstils. Die Abbinder-Zugabe: Dvořák, ein Slawischer Tanz. Alles andere hätte ja auch an musikalischen Landesverrat gegrenzt.

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