Hamburg. Das skurrile Comedy-Duo seziert in der ausverkauften Laeiszhalle deutsche Alltagsphänomene. Warum allein der Song „Kreuzfahrt“ lohnt.
Und dann ist da noch die Sache mit dem Junggesellenabschied. Eskalieren soll die Party wie einst, „bis wir kriechen auf allen Vieren.“ Dumm nur, dass die Gäste zur Ü-50-Generation zählen. Da hat halt jeder seine Wehwehchen. Rücken, Magen, Hämorrhoiden. Und so beschränken sich die Gespräche leider auf die „Größe der männlichen Prostata“. Die Party erinnert an ein „feucht gewordenes Tischfeuerwerk“.
Mit Werken über Männer im zweiten, besser gesagt dritten Frühling, mit Beziehungen, die an Ikea-Besuchen zerschellen, und mit Anekdoten über das Mindesthaltbarkeitsdatum des eigenen Körpers haben sich Mathias Zeh und Rainer Schacht alias Die Feisten eine treue Fan-Gemeinde erspielt. Die Laeiszhalle ist ausverkauft.
Die Feisten in der Laeiszhalle: „Kriechen auf allen Vieren“
Wer den Bandnamen mit dem Trio Ganz schön feist assoziiert, liegt so falsch nicht. Die Göttinger Gruppe, gegründet Ende der 1980er-Jahre, gehörte mehr als zwei Jahrzehnte in wechselnder Besetzung zum festen Inventar der deutschen musikalischen Kleinkunstszene, trat auch in Hamburg immer wieder auf, oft im Schmidt Theater. 2013 löste sich Ganz schön feist auf, Zeh (jetzt in Kassel) und der Mannheimer Schacht machten jedoch unter dem neuen Namen als Duo weiter und erhielten 2017 den Deutschen Kleinkunstpreis.
Dass diese Auszeichnung in der Kategorie Chanson/Lied/Musik auch einige Jahre darauf mehr als verdient ist, zeigt sich in der Laeiszhalle. Mit skurrilen Versen sezieren sie in ihrem Programm „Familienfest“ deutsche Alltagsphänomene. Allein der Song „Kreuzfahrt“ über das Leiden eines Alleinreisenden, genervt von den 3000 Passagieren an Bord, lohnt das Eintrittsgeld: „Inge ist bereit für′n Urlaubsflirt. Ich eigentlich auch – nur Inge stört.“ Wunderbar auch das Titellied ihres Programms über das Fest in trauter Verwandten-Runde mit einem Kettenraucher, einem Tinder-Opfer und einem Veganer.
Die Feisten, „wie ein altes Ehepaar, aber immer noch glücklich“
Zeh und Schacht zeigen, dass Humor zugleich albern und feinsinnig kann, Die Feisten spielen in einer völlig anderen Liga als etwa Witz-Dampframme Mario Barth. Und doch könnte sich auch ihr Auftritt in die Länge ziehen, wäre da nicht ihre Musikalität. Die Feisten wechseln ständig die Instrumente, von der akustischen Gitarre über Mandoline, Sitar, Ukulele, Bassbox bis zur Udu, ein vasenförmiges Percussion-Instrument. Und wie exzellent sie harmonieren, zeigt sich bei ihren A-cappella-Songs.
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Menschlich scheinen sich die beiden auch nach so vielen Tour-Jahren immer noch gut zu verstehen. Schacht macht Zeh auf der Bühne fast eine Liebeserklärung. Sie seien „wie ein altes Ehepaar, aber immer noch glücklich.“ Und wer Die Feisten verpasst hat: Am 2. Oktober 2025 kommen sie wieder in die Laeiszhalle. Der Vorverkauf (Tickets ab 51 Euro) hat bereits begonnen.
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