Hamburg. Die Pink-Floyd-Klassiker so exakt nachgespielt, dass sie von den Originalen kaum zu unterscheiden sind. Nur eine Ausnahme gab es.
Genesis, Fleetwood Mac und auch Pink Floyd: So viele legendäre Bands, die in den 70ern ihre ganz große Zeit hatten und (mindestens) eine Generation prägten, gibt es nicht mehr. Aber die Sehnsucht danach, sie live zu hören, ist immer noch da. Und so groß, dass ihre Coverbands inzwischen riesige Erfolge feiern. Wobei der Begriff „Coverband“ etwas despektierlich ist. Schließlich sind die besten Bands, die mit den größten Songs von damals touren, alles andere als nur weinselig zu ertragende Nachspielcombos, wie man sie von Stadtteil- und Schützenfesten kennt.
Das gilt nicht nur für The Musical Box (Genesis) oder Rumours of Fleetwood Mac, sondern auch für Brit Floyd, der neben der Australian Pink Floyd Show zweiten großen Hommage an die britische Progrock-Legende. Und so verwundert es kaum, dass am Freitagabend der Große Saal der Laeiszhalle abgesehen vom gesperrten 2. Rang nahezu ausverkauft ist: Die Klasse dieser insgesamt neunköpfigen Band hat sich inzwischen herumgesprochen. Und die hohen Erwartungen werden nicht enttäuscht. Im Gegenteil.
Brit Floyd in der Laeiszhalle: Eine Zeitreise, die einfach glücklich macht
Schon der Opener, „Astronomy Domine“ vom Pink-Floyd-Debütalbum „The Piper At The Gates Of Dawn“ (1967) legt die Messlatte hoch. Sind das wirklich nicht die Originale? Verblüffend, wie genau hier jedes musikalische Detail getroffen wird – die große Zeitreise hat begonnen. Sie setzt sich zunächst fort mit einem Ausflug in die Achtziger und mittleren Neunziger als Pink Floyd mit den Alben „A Momentary Lapse Of Reason“ und „The Division Bell“ große Erfolge feierte.
„The Division Bell“ kam vor inzwischen 30 Jahren heraus, und Brit Floyd begeht das Jubiläum an diesem Abend mt insgesamt fünf Songs. Auch das ist musikalisch erstklassig, doch für viele Pink-Floyd-Fans sind die Alben der 70er-Jahre das wahre Herz des Band-Oeuvres. Und da heißt es nun etwas warten, bis kurz vor der Pause zwei Nummern von „Animals“ (1977) auf dem Programm stehen: „Pigs On The Wing“ und „Dogs“. Auch sie so originalgetreu gespielt, dass man mit geschlossenen Augen davon träumen kann, hier stünden David Gilmour (Wahnsinn, wie gut sein markanter Gitarrenstil getroffen wird), Roger Waters, Rick Wright und Nick Mason auf der Bühne. Riesiger Jubel zur Halbzeit, auch für die erstklassige Laser-Lightshow und die Videoeinspieler.
Im zweiten Teil dann wird die Euphorie mit jeder Minute größer, denn nun kommen die wahren Klassiker aus den Boxen: „Shine On You Crazy Diamond“ (Gänsehaut!), „Wish You Were Here“, die „Dark Side Of The Moon“-Nummern „Time“, „Us And Them“ und „Money“, „Another Brick In The Wall, Part 2“ von „The Wall“. Die Erinnerungen strömen, es ist ein Fest. Für einen besonderen Höhepunkt sorgt Jessie Lee Houlier, eine der Backgroundsängerinnen, mit ihrem Part in „The Great Gig In The Sky“, eine extrem anspruchsvolle Vokaleinlage voll hoher Töne, die sie brillant meistert und entsprechend gefeiert wird.
Bei „Money“ nimmt sich die Band dann eine musikalische Freiheit heraus
Ebenso wie die gesamte Band für das mitreißende „One Of These Days“ aus dem Album „Meddle“ (1971), noch so ein Klassiker, der vor Jahrzehnten in Jugendzimmern und bei Progressive Partys rauf und runter lief. Und der hier originalgetreu abgeliefert wird.
Von diesem Konzept weicht Brit Floyd im Rahmen der mit Pause dreistündigen Show nur ein einziges Mal ab: Bei „Money“, das ein ausführliches Gitarrensolo und eine ordentliche Portion Backing-Gesang bekommt. Diese Freiheit nimmt die Band sich dann doch, macht aber nichts, fügt sich prima ein.
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Natürlich kann man sich fragen, ob es für Musikerinnen und Musiker wirklich befriedigend ist, Tag für Tag die Songs anderer nachzuspielen und immer nur daran gemessen zu werden, ob man exakt so klingt wie die Originale. Aber zum einen verfolgen viele Brit-Floyd-Mitglieder auch eigene Projekte und zum anderen dürften die sichtbare Begeisterung, das Lächeln auf den Gesichtern der Besucher, die Standing Ovations nach dem vorletzten Stück, „Comfortably Numb“ von „The Wall“ ein schöner Lohn für das Geleistete sein.
Wenn Gitarrist, Sänger und Musical Director Damian Darlington sich nach dem letzten Song („Run Like Hell“) beim jubelnden Publikum bedankt und ankündigt, im nächsten Jahr wiederzukommen, dann kann er sicher sein: DIese Zeitreise werden viele, die jetzt applaudierend zwischen den Sitzreihen stehen, auch 2025 wieder antreten wollen. Ein toller Abend.
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