Hamburg. Handwerklich perfekt, aber eben nicht das Original: The Australian Pink Floyd Show spielte die legendären Klassiker vor etwa 2000 Fans.

Das Herz schlägt noch, unverändert auch nach 50 Jahren. Schon vor Konzertbeginn ist in der Barclays Arena das altvertraute sequenzierte rhythmische Pochen zu hören, mit dem die Klangcollage „Speak to Me“ als Intro zu einem der kommerziell erfolgreichsten Alben der Popgeschichte beginnt. Am 1. März 1973 wurde „Dark Side of the Moon“ von Pink Floyd veröffentlicht und bislang mehr als 50 Millionen Mal verkauft.

Also gewissermaßen eine Geburtstagsfeier für Fans, jedoch ohne die Hauptdarsteller. Denn auf der Bühne steht eine Kopie des Originals: die Australian Pink Floyd Show mit ihrer „DarkSide50Tour“. Die 1988 in Adelaide gegründete Coverband hat sich einen guten Ruf als legitime Stellvertreter erspielt, die detailgetreu klassische Pink Floyd-Konzerte nachspielen.

Den Ritterschlag bekamen sie quasi, als David Gilmour sie 1996 für ein Konzert zu seinem 50. Geburtstag einlud und die Australier die Bühne für eine Jamsession mit zahlreichen Pink-Floyd-Musikern bereiteten.

Australian Pink Floyd Show: Präzise Sounds und beeindruckende Lichter

Keine Frage, es ist eine nostalgische Show, die mehr als 2000 Zuschauer in die Barclays Arena gelockt hat, das Gros Ü60. Alles ist, wie Fans sich ein Pink-Floyd-Konzert wünschen: eine Setlist mit dem komplett gespielten „Dark Side of the Moon“ sowie zahlreichen Songs von „The Wall“ und „Wish You Were Here“, aber auch wertvolle Einzelstücke wie „See Emily Play“ von 1967 oder „High Hopes“ von 1994.

Kurz: von Chart-Erfolgen über episch angelegte Konzeptalben bis hin zu den experimentellen und psychedelischen Anfängen mit dem prägenden und früh durch Drogenkonsum psychisch verloren gegangenen Syd Barrett. Das alles präzise wie im Studio eingespielt, handwerklich meisterhaft, mit transparentem Sound, dazu eine Video- und Lichtshow, die dem hohen Anspruch legendärer Live-Auftritte von Pink Floyd nicht nachsteht.

Die Show bietet auch eine Portion Selbstironie

Im Mittelpunkt der Show stehen Gitarrist Luc-Ledy Lepine und Bassist Ricky Howard, die auf der Bühne die Original-Masterminds David Gilmour und Roger Waters vertreten. Die beiden Australier sorgen beim Fan-Fachpublikum für Staunen und spontanes Geraune, etwa bei Lepines Solo in „Shine on You Crazy Diamond“ („Wie kann der das so spielen, der ist doch noch so jung“) oder bei den verschleppten monoton-hallenden Basslinien von „One of These Days“ — Songs, bei denen der Sog mancher Pink-Floyd-Motive wie einst unmittelbar wirkt.

Das gilt ebenso für so markante Passagen wie das perkussive Intro von Schlagzeuger Paul Bonney in „Time“ zu den berühmten Wecker-Loops oder den swingenden Teil in „Money“ mit der exzellenten Saxophon-Begleitung von Mike Kidson sowie für das inspirierte Spiel des zweiten Gitarristen David Domminney und des Keyboarders Jason Sawford. Für Arbeitsteilung, wie sie im Original nicht vorgesehen war, sorgt Sänger Chris Barnes, der Gesangsparts von David Gilmour übernimmt.

Weitgehende Anpassung an die Vorbilder ist jedoch nicht alles, die Australier bauen selbstironisch und klischeehaft ein bisschen eigene Identität ein. Allgegenwärtig als Bild oder überlebensgroße Aufblasfigur ist das Känguruh (als Pig-Stellvertreter), Texte werden zwischendurch mit Down-Under-Akzent gesprochen, im Zeitraffer läuft australische Popkultur von Skippy über „Crocodile Dundee“ und AC/DC bis hin zu Kylie Minogue über die Video-Projektionsfläche.

Trotz gutem Spiel: Die Sehnsucht nach dem Original bleibt

Wie gesagt, die Show ist perfekt. Doch über die Dauer des mehr als zweieinhalbstündigen Konzerts wird zunehmend deutlich, was fehlt: Das Ganze bleibt steril, es springt in der für diesen Anlass überdimensionierten Arena kein Funke über. Letztlich bleibt es die Sehnsucht nach dem Original, die einen Abend wie diesen überhaupt erst ermöglicht und zum nostalgischen Ereignis macht.

Mehr als 100 Auftritte hat die Australian Pink Floyd Show in diesem Jahr auf ihren Tourneen durch Europa und Nordamerika. Es ist eine etwas schizophrene Situation, denn auch die Originale waren und sind immer mal wieder zu hören, doch vorhersehbar ist das nicht.

Nach der komplizierten Scheidungsgeschichte, die 1985 mit dem Ende der Ära von Roger Waters begann und sich in den von David Gilmour geprägten Jahren bis 1995 fortsetzte, war Pink Floyd meist nur noch als Summe seiner Teile zu erleben. Gilmour, Nick Mason und Rick Wright tourten gemeinsam, parallel dazu Roger Waters, ihr Songmaterial war streckenweise identisch.

Australian Pink Floyd Show: 2014 erschien ein letztes Album mit Original-Musik

Keyboarder Rick Wright starb 2008, woraufhin Schlagzeuger Mason sagte, er könne sich weitere Auftritte von Pink Floyd nicht mehr vorstellen. 2014 ein letztes Album („The Endless River“), aus altem Material zusammengestellt. David Gilmour trat zuletzt im September 2015 in Deutschland auf. Roger Waters dagegen tourt demnächst wieder hierzulande, wird jedoch wegen umstrittener politischer Äußerungen zu Israel und den Palästinensern sowie zum Krieg in der Ukraine nicht nur mit Kritik, sondern sogar mit Konzertabsagen konfrontiert.

Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass, sollte es tatsächlich zu den Roger-Waters-Konzerten in Deutschland kommen, die Stimmung im nostalgischen Publikum eine ganz andere, euphorischere sein wird, als jetzt bei der Australian Pink Floyd Show in der Barclays
Arena.