Hamburg. Bestsellerautor Jean-Luc Banalec stellte den neuesten Fall von Kommissar Dupin vor. Aus dem Kriminalroman las Schauspieler Christian Berkel.
Und dann steht Jörg Bong auf, schreitet zum Bühnenrand und sagt: „Schauen Sie, Sie gehen mit Ihrer Liebsten den Weg an der Steilküste. Mitten im Gespräch schubsen Sie sie ganz leicht mit der Schulter. Sie stürzt die Klippe herunter, Sie schreien nach Leibeskräften um Hilfe. Niemand wird Ihnen diese Tat nachweisen können. Das ist der perfekte Mord.“
Womöglich entwickelt man derart morbide Fantasien, wenn man seit mehr als einem Jahrzehnt mit diesem Erfolg Kriminalromane schreibt. Die Reihe um Kommissar Dupin, strafversetzt aus Paris ins bretonische Concarneau, gehört zum Inventar der Bestsellerlisten, unter dem Pseudonym Jean-Luc Bannalec hat der promovierte Literaturwissenschaftler eine Millionen-Auflage erreicht. Die Verfilmungen sorgen regelmäßig für hohe Einschaltquoten. Im Rahmen des Elblit-Festivals las der Schauspieler Christian Berkel im Schauspielhaus aus Dupins 13. Fall „Bretonische Sehnsucht“.
Elb.Lit im Schauspielhaus mit Jean-Luc Banalec und Christian Berkel: So gelingt der perfekte Mord
Diesmal ermittelt Dupin auf der einsamen Insel Ouessant, mitten im Atlantik, am äußersten Rand der Bretagne. Die Leiche eines keltischen Musikers wird angeschwemmt, der Kommissar sucht inmitten einer Welt von uralten Riten nach der Wahrheit.
Wahrscheinlich hat Bong mehr für den bretonischen Tourismus getan als jedes Fremdenverkehrsamt. Die Folgen sind mitunter skurril. Bei einem Spaziergang, sagt Bong, sei ihm mal ein Pärchen bei brütender Sommerhitze auf einem Küstenweg begegnet. Die Frau habe ihn erkannt und finster angesehen: „Sie sind schuld.“ Dann, sagt der 58-Jährige, „haben die beiden ihre Rucksäcke geöffnet, in jedem steckten fünf meiner Romane. Das Paar hat die mitgeschleppt auf der Suche nach Originalschauplätzen.“ Diese Begegnung war die Initialzündung für sein Buch „Dupins Bretagne: Ein Reiseführer“, wo er alle Tipps ohne Mord- und Totschlag komprimieren konnte.
Elb.Lit im Schauspielhaus: Ein besserer Sprecher für die Hörbücher als Christian Berkel ist kaum vorstellbar
Der Abend im Schauspielhaus offenbarte das Erfolgsgeheimnis der Reihe: Bong zeichnet mit geradezu chirurgischer Präzision ein Bild der Bretagne. Allein für den 13. Fall reiste er fünfmal nach Ouessant. „Beim Schreiben setze ich mich mit meinem Notebook an die Schauplätze.“ Für die Vollendung des Werks zieht sich Bong dann in sein Haus in Finistère in der Bretagne zurück: „Ich habe das mal in unserem Haus in Frankfurt probiert, es hat nicht funktioniert.“
Einen besseren Sprecher für seine Hörbücher als den großartigen Schauspieler Christian Berkel hätte Bong kaum finden können. Berkel lebte als Jugendlicher in Paris, er beherrscht die Sprache perfekt. Bong hört sichtlich fasziniert zu, wenn Berkel liest: „Er macht das großartig. Ich merke gar nicht mehr, dass das mein Text ist.“
Für ein paar Minuten sitzt man mit im Boot und fiebert, ob der Akku des Handys reichen wird
Als Berkel liest, wie der arme Kommissar in ein kleines Ruderboot steigt und wenig später im Atlantik um sein Leben kämpft, lauscht das Publikum gebannt. Für ein paar Minuten sitzt man mit im Boot, fiebert, ob der Akku des Handys noch reichen wird für eine Ortung. Natürlich geht die Seefahrt gut aus, Bong schreibt und recherchiert längst an den nächsten Fällen.
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Und der perfekte Mord? Die Moderatorin Anouk Schollähn fragt Berkel, der noch nie in der Bretagne war, ob er nicht womöglich doch mal mit Begleitung an der französischen Küste wandern möchte: „Bei Ihnen wären die Schlagzeilen ja besonders groß.“ Die Anspielung auf die nicht minder prominente Schauspielerin Andrea Sawatzki, mit der Berkel verheiratet ist, sorgte für großes Gelächter. Berkel schmunzelt und kontert trocken: „Mit meiner Frau würde ich diesen Weg bestimmt nicht machen.“
Jean-Luc Bannalec: „Bretonische Sehnsucht, Kommissar Dupins dreizehnter Fall“, Kiepenheuer & Witsch, 18 Euro
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