Hamburg. Seit 2004 führt Stefanie Hempel zu den Stationen von John, Paul, George und Ringo auf St. Pauli. Was ihr größter Wunsch ist.

„An manche Orte werde ich mich mein ganzes Leben lang erinnern, obwohl manche sich verändert haben.
Manche für immer und nicht zum Besseren. Manche sind verschwunden und manche sind noch da“, heißt es auf Deutsch im Song „In My Life“ von den Beatles. Ein wehmütiger Text von John Lennon, der besonders in der Version von Johnny Cash, erschienen 2002 zehn Monate vor seinem Tod, besondere Wirkung entfaltet.

Aber „In My Life“ kann auch der Auftakt für einen langen, lustigen und an Anekdoten reichen Abend sein: Stefanie Hempel singt ihn seit 20 Jahren zum Auftakt ihrer „Hempel‘s Beatles Tour“. Während Hempel auf dem regennassen, zugigen Heiligengeistfeld ihre Ukulele stimmt, warten 30 Tourteilnehmende gespannt auf den Start des auch international mittlerweile weit bekannten Klassikers unter den Hamburger Stadt(teil)führungen. Der Großteil der Traube um Hempel singt bald „When I‘m Sixty-Four“, aber auch einige Jüngere und vier Kinder sind dabei.

Beatles-Tour: Drei Stunden führt Stefanie Hempel zu legendären Orten

Drei Stunden lang führt Hempel ihr Publikum durch St. Pauli zu Orten, an denen in den frühen 60er-Jahren Popgeschichte geschrieben wurde. Zum Indra, wo die jungen Beatles John Lennon, Paul McCartney, George Harrison, Stuart Sutcliffe und Pete Best ihre ersten Auftritte hatten. Zu Kaiserkeller und Top Ten, wo die Amateure aus Liverpool ungezählte Bühnenstunden lang zu ernst zu nehmenden Musikern reiften. Zu den Adressen ihrer Unterkünfte (Bambi Kino, Hotel Pacific) und zu den Entstehungsorten berühmter Fotos wie in der Jägerpassage. Und zwischendurch: Ein Lied. „My Bonnie“, „Twist And Shout“, „Rock‘n‘Roll Music“.

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Die Stadt brüstet sich gern damit, dass die Beatles zwar aus Liverpool stammen, aber in Hamburg erwachsen wurden. Doch als Stefanie Hempel – 1977 in Parchim geboren und in der DDR mit den wenigen über das staatseigene Amiga-Label vertriebenen Beatlessongs aufgewachsen – Ende der 90er-Jahre nach Hamburg-St. Pauli zog, erinnerte nicht viel an die sagenumwobene Hamburg-Ära der Fab Four. Im Hinterhof an der Großen Freiheit 39, wo 1962 der Star-Club die Beatles erlebte, mit Ringo Starr am Schlagzeug und kurz vor dem Durchbruch, verwies bei Hempels erstem Besuch ein Gedenkstein an das 1986 nach einem Brand abgerissene Gebäude. Neben den Beatles waren auch The Who im Gedenkstein eingraviert, die nie dort spielten, und Jimi Hendrix war falsch geschrieben („Jimmy Hendrix“). Es gab viel zu tun.

Stefanie Hempels Beatlestour
Vor dem Hotel Pacific am Neuen Pferdemarkt singt Stefanie Hempel „I Saw Here Standing There“: In den 60er-Jahren residierten dort die Bands, die für den Star-Club gebucht waren, darunter auch die Beatles. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Beatles-Tour: Als Hempel nach Hamburg kam, erinnerte wenig an die Fab Four

„Ich war einigermaßen schockiert, wie wenig über die Hamburg-Beatles aufzufinden war“, erinnert sich Hempel heute, während sie ihre Führung vom Hotel Pacific am Neuen Pferdemarkt, wo seinerzeit die Star-Club-Bands hausten, zur Thadenstraße lotst, in der die Beatles ihre ersten Rocker-Lederjacken kauften. Diese Orte und ihre Geschichten fand sie damals über endlose Regalmeter Beatles-Literatur und Fab-Four-Freundinnen und -Freunde wie Astrid Kirchherr, Jürgen Vollmer, Horst Fascher und Rosi McGinnity, die Hempel über die Jahre kennen und schätzen lernte.

„Manche sind verschwunden und manche sind noch da“: Während Hempel Musik auf Lehramt studierte, den Popkurs an der Hochschule für Musik und Theater besuchte, dort eine Band gründete (aus der später ohne sie Wir sind Helden wurde), und einen Sohn bekam, veränderte sich St. Pauli. Das Rotlicht verschwand, Livemusik und Unterhaltungskultur kurbelten den Tourismus an und erste Kiezführungen butscherten zwischen Millerntor und Nobistor. „Als ich 2004 angefangen habe, gab es eine Handvoll Stadtteilführungen, heute sind es ungefähr 200“, amüsiert sich Hempel, weicht vor dem Indra Autos und angetrunkenen Kieztouristen aus und „macht Schau“: Ukulele raus, ein Lied, weiter zum Kaiserkeller.

Stefanie Hempels Beatlestour
Jägerpassage: An dieser Tür entstand 1961 das Cover für John Lennons späteres Solo-Album „Rock‘n‘Roll“, das 1975 erschien. Für viele Beatles-Fans ist dies ein Highlight von Stefanie Hempels Beatles-Tour. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

„Hempel‘s Beatles Tour“: König Charles hatte einen persönlichen Liedwunsch

Mit ihren Führungen und zahlreichen Konzert-Events wie zu den 50. Geburtstagen des „Weißen Albums“ und „Abbey Road“ oder rund um das Schaffen von Paul McCartney und George Harrison in der Fabrik und im Gruenspan hat sich Hempel als Beatles-Instanz etabliert. „New York Times“ und „Los Angeles Times“, Blogs und Reiseführer empfehlen ihre Tour, die auch schon Bob Dylan inkognito mitlief. „Paul und Ringo würde ich gern noch mal kennenlernen“, träumt Hempel von Begegnungen mit den beiden noch lebenden Ex-Beatles. Immerhin durfte sie auf persönlichen Wunsch von König Charles III beim Staatsbesuch 2023 „I Saw Here Standing There“ im Schuppen 52 singen.

Seit 2004 sind die Beatles in Hamburg wieder präsenter geworden, aber nicht jede Idee war von Dauer. Ein Beatles-Museum und ein Beatles-Festival konnten nicht genug Besuchende anziehen und sind vorerst wieder Geschichte. Aber der Beatles-Platz am Anfang der Großen Freiheit gehört seit seiner Einweihung 2008 zu Hempels Route. Zwischen den „Ausstechförmchen“, den Stahl-Silhouetten von John, Paul, George, Pete (oder Ringo, je nach Vorliebe) und Stuart, Feiervolk und Touristen lauscht Hempels Tross gebannt der Erklärung, warum die Figur von Stuart abseits steht: Er starb 1962 an einer Hirnblutung.

Beatles-Tour: Der Rundgang endet mit einem Konzert in Rosi‘s Bar

Selbst im Vorbeigehen fallen Hempel, die Tasche voller historischer Fotos und Zeichnungen, den Ukulelen-Koffer unter den Arm geklemmt und ein kleines Headset umgehängt, Details ein wie die drei Jahrzehnte lang offene Rechnung, die Paul McCartney 1989 auf Tour in der Kneipe Gretel & Alfons beglich, oder dass aus dem Club Moondoo, dem ehemaligen Top Ten, im Dezember dieses Jahres das Molotow wird: „Endlich gibt es dort nach Jahrzehnten wieder regelmäßig Livemusik.“

Livemusik gibt es auch an der letzten Station, in Rosi‘s Bar. Rosi McGinnity, Kiez-Ikone und erste Frau von Rock‘n‘Roll-Pionier Tony Sheridan, mit dem die Beatles ihre ersten Songs aufnahmen, hat ihre Bar dieses Jahr aus Altersgründen abgegeben und lässt sich entschuldigen, aber die Tour genießt trotzdem nach mehr als zwei Stunden Fußmarsch die abgeliebte, aber herzliche Atmosphäre und ein Getränk.

Beatles-Rundgang: Fans warteten zwei Jahre lang auf einen freien Termin

Tourgast Thomas Prill und seine Familie müssen die Informationsfülle des Erlebten erst mal sacken lassen: „Ich bin über die Jahre etwas von den Fab Four abgeschweift zum Free Jazz, aber die Beatles trage ich immer im Herzen. Wir haben wirklich viel gelernt heute, so viele Orte und Details“, staunt der Langenhorner. Die sechsköpfige Gruppe schenkt sich zu Geburtstagen gern Karten für Ausflüge und Events, auch für „Hempel‘s Beatles Tour“. „Wir haben allerdings zwei Jahre warten müssen, bis ein Termin passte. Die Tour ist ja immer schnell ausgebucht“, erzählt Prill, „aber die Geduld hat sich gelohnt.“

Stefanie Hempels Beatlestour
Ein düsterer Ort: Stefanie Hempel am ehemaligen Bambi-Kino-Standort in der Paul-Roosen-Straße, wo die Beatles seinerzeit in zwei lichtlosen Kammern übernachten mussten. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Mit dieser Tour endet Stefanie Hempels diesjährige Saison, erst ab April 2025 geht es sonnabends wieder auf den Kiez. Aber vorher gibt es noch ein paar Songs in Rosi‘s Bar, wo Hempel von der Ukulele zur akustischen Gitarre wechselt: „All My Loving“, „I Want To Hold Your Hand“, „Norwegian Wood“, „You‘ve Got To Hide Your Love Away“, „Here Comes The Sun“ und „Help!“. Ist das schön...

„Hempel‘s Beatles-Tour“ Termine und Infos: www.hempels-musictour.de