Hamburg. Es dauerte eine Weile, bis der Sound im Großen Saal optimal war, doch musikalisch ließ der Star aus Brasilien keine Wünsche offen.

Es ist immer wieder schön, Stars dabei zu beobachten, wie sie sich über die Architektur der Elbphilharmonie freuen. Marisa Monte kennt den Saal, vor sechs Jahren hat sie hier schon einmal gespielt, damals mit dem Trio Tribalistas. Aber dennoch lässt sie den Blick durch die Reihen schweifen, über die Ränge, in die schwindelerregende Höhe, froh darüber, hier aufzutreten. Und dann greift sie zu ihrem Instrument, einem winzigen Zwischending zwischen E-Gitarre und Ukulele, und spielt die ersten Takte von „Infinito Particular“, einem dunkel vor sich hin schunkelnden Chanson, und tatsächlich wirkt sie in diesem Moment glücklich. Glücklich wie das Publikum.

Monte, geboren 1967 in Rio de Janeiro, ist einer der größten Stars der Música Popular Brasileira, brasilianischer Popmusik, die in der Tradition des Tropicalismo steht, aber ohne dessen politisch-soziales Programm. Zwar werden auch hier unterschiedlichste Stile auf loser Bossa-Nova-Basis vermengt, werden Rock, Jazz, Funk und zunehmend auch elektronische Elemente in die lateinamerikanischen Rhythmen integriert. Aber es fehlt der Fortschrittsgedanke einer multikulturellen Gesellschaft, der im Tropicalismo im Mittelpunkt stand.

Marisa Monte in der Elbphilharmonie: Wenn Sängerin und Publikum einfach glücklich sind

Was nicht heißt, dass Monte eine unpolitische Künstlerin wäre – seit mehr als 30 Jahren schreibt sie eigene Songs und hat volle Kontrolle über ihre Veröffentlichungen, ihre Musik ist das künstlerische Werk einer selbstbewussten, eigenständigen Frau, und das ist dann doch recht nahe am politischen Geschlechterverständnis von Tropicalismo-Künstlern wie Maria Bethânia und Gilberto Gil.

Marisa Monte
Marisa Monte spielte ein Mittelding aus Gitarre und Ukulele. © Daniel Dittus | Daniel Dittus

Heißt: In der Elbphilharmonie inszeniert sich – entgegen der Ankündigung – keine Diva auf der Bühne, die ohne ihre Begleitmusiker nichts wäre, sondern eine Sängerin, die sich auch als Gitarristin perfekt in ihre vierköpfige Band einfindet. Wobei man Monte eine gewisse natürliche Autorität nicht absprechen kann: Natürlich gehen alle Blicke auf sie, wie sie das Konzert mit „Maria de Verdade“ eröffnet, groß gewachsen, schlank, im langen schwarzen Kleid. Das aber ist ein Spiel mit der Bühnensituation, es ist nicht das Zentrum des Konzerts. Und von Anfang an stellt sie klar, dass man hier eine Gesamtleistung als Zusammenarbeit sieht, nicht einen Star, dem zugearbeitet wird. Der Tanz Montes ist kein „Tanz der Einsamkeit“, „Dança da Solidão“, wie sie ein Stück von Paulinho da Viola im sanften Samba-Rhythmus covert. Und es hat einen ironischen Aspekt, dass sich genau an dieser Stelle Teile des Publikums von ihren Plätzen erheben, um eben nicht einsam, sondern kollektiv zu tanzen.

Elbphilharmonie: Leider braucht es seine Zeit, bis der Sound vernünftig abgestimmt ist

Es kommt nicht von ungefähr, dass Monte ihre Band schon früh vorstellt: ihren langjährigen Mitstreiter Dadi Carvalho am Bass, den erst 17-jährigen Pedrinho da Serrinha an Percussion und Ukulele, Davi Moraes an Gitarre und Mandoline, Pupillo am Schlagzeug. Man hat es hier mit Leuten zu tun, die einander schätzen und die anerkennen, welchen Anteil die Arbeit des Einzelnen für den Gesamteindruck hat. Was dabei ein bisschen schade ist, ist, dass sich das in der Elbphilharmonie erst mal nicht akustisch vermittelt: Wie hier so häufig bei elektrisch verstärkten Konzerten braucht es seine Zeit, bis der Sound vernünftig abgestimmt ist, zunächst ist der Gesang deutlich zu leise, dann drängt das Schlagzeug die raffinierten Arrangements in den Hintergrund, erst nach gut einer Dreiviertelstunde erklingt der Mix aus südamerikanischen Klängen, Rock, Pop und Songwriterharmonien in seiner vollen Schönheit.

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Nur beim letzten Song, dem Pino-Daniele-Cover „Bem que se quis (E po’ che fa’)“ ist die Band dann schon im Feierabend. Da singt Monte alleine, „Okay, das war’s“, schließlich übergibt sie ans Publikum, das noch ein paarmal den Refrain summt, und glückselig beinahe übersehen hat, dass die Sängerin aus dem Saal gehuscht ist, nur ein Luftküsschen bleibt. Und das war es dann tatsächlich.