Hamburg. Im Dezember spielt das Leonkoro Quartet in der Elbphilharmonie. Cellist Lukas Schwarz spricht über Konflikte und die Zukunft des Genres.

So bedrohlich kann Franz Schubert klingen. Als würde jemand mit Bleistift einen Galgen aufs Papier werfen wie ein gezeichnetes Todesurteil, die Schatten eilig schraffierend, knurrend, je leiser, desto gefährlicher. Im nächsten Moment explodiert die Musik in einem Fortissimo-Ausbruch. Und das alles binnen weniger Takte. Wenn das Leonkoro Quartet den Anfang des c-Moll-Quartettsatzes spielt, vergisst man darüber zu atmen.  

Gut Streichquartett spielen, das können viele Ensembles. Aber so Streichquartett spielen, das können nur sehr wenige. Die Fachwelt überschlägt sich vor Lob. Vom „Geist unmittelbarer Frische und Furchtlosigkeit“ schwärmt die „Süddeutsche Zeitung“, und die Jury des renommierten Preises der Deutschen Schallplattenkritik ist voll des Lobes für das Ensemble, „unter dessen Händen alles neu“ werde. Seit sie sich 2019 zusammenfanden, haben die vier internationale Wettbewerbe und Auszeichnungen nur so abgeräumt und sich in kürzester Zeit an die Spitze ihrer Zunft gespielt.

Leonkoro Quartet in der Elbphilharmonie: „Natürlich gehen wir uns manchmal auf die Nerven“

Am 12. Dezember sind sie in der Elbphilharmonie-Reihe „Fast Lane“ im Kleinen Saal zu Gast. Dort präsentieren sich international gefragte Musikerinnen und Musiker der jungen Generation, die das Etikett „Nachwuchs“ schon abgestreift haben. Auf dem Programm stehen Werke von Mozart, Hindemith und Mendelssohn. Im Videogespräch erzählt der Cellist Lukas Schwarz vom rasanten Aufstieg, vom Leben zu viert und von seiner jüngsten Neuanschaffung.

Was macht so ein plötzlicher Erfolg mit einem? Leisten Sie sich inzwischen einen anderen Lebensstil?

Lukas Schwarz: Wir sind alle nicht die Typen, die sich erst mal dünne Uhren kaufen oder so was. Natürlich gehen wir viel mehr essen, aber das müssen wir ja auch, weil wir unterwegs sind. Lieber würde ich jeden Tag kochen. Ich habe mir letztens einen besseren Pürierstab gekauft. Das hätte ich vor fünf Jahren nicht gemacht.

So schmal war das Budget?

Als das Quartett anfing, war ich noch im Studium. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich in der Mitte des Monats Familie oder Freunde angepumpt habe, weil das Konto leer war. Jetzt mache ich mir weniger Sorgen, dafür bin ich sehr dankbar.

Wenn Sie mit Ihrem Bruder fest zusammenarbeiten, fliegen da nicht die Fetzen?

Sehr selten. Natürlich gehen wir einander manchmal auf die Nerven, weil wir als Geschwister jede Mikro-Regung spüren. Das birgt schon Konfliktpotenzial. Das reicht vom Banalsten bis zum Philosophischsten. Wir können uns darüber streiten, dass eine Mail zu spät rausging. Tempofragen sind bei uns selten Streitpunkte, andere Interpretationsfragen schon.

Es geht halt um alles.

Klar. Mein Bruder, der in unseren Anfängen als Akademist bei den Berliner Philharmonikern gearbeitet hat und quasi am Anfang des Berufswegs Orchestermusiker stand, hat sich damals aktiv für das Quartett entschieden und auf gutes Einkommen und Sicherheit verzichtet. Das zeigt, wie viel ihm das Quartett bedeutet.

Sie sind alle unter 30. Können Sie das ehrwürdige Genre Streichquartett zukunftsfähig machen?

An der Musik muss man nichts verändern, die ist unerschöpflich reich. Aber sie ist natürlich darauf angewiesen, dass sie gehört wird. Wenn ich mit Leuten meiner Generation rede, die nicht so in der Klassikblase sind, dann wird schnell deutlich, was sie davon abhält, ins Konzert zu gehen. Ich will mich nicht schick anziehen und viel Geld ausgeben, um dann zwei Stunden still zu sitzen. Es fehlt aber auch das Entfachen der Begeisterung für die klassische Musik in der Jugend. Das ist Educationarbeit, die ich mir vor allem von den Schulen wünschen würde. Zwei Stunden zuhören – das will gelernt sein, auch ich musste es lernen.

Und bei Kammermusik erst recht …

Wenn jemand keine Ahnung von Musik hat, geht er eher in die Oper. Generell ist das Hören klassischer Musik eine langsame Tätigkeit. Wie wenn man ein Buch liest. Solche Tätigkeiten haben es einfach schwer in Zeiten der Beschleunigung. Wir als Streichquartett können die Welt nicht langsamer machen! Wir machen ja eine sehr langsame Arbeit, wenn wir uns jeden Tag hinsetzen und fünf Stunden an ein paar Takten Beethoven feilen.

Wie kann der Funke überspringen?

Die Musik muss im Vordergrund stehen. Wenn ich im Konzert bin und spüre, da wird etwas inszeniert, kommt sofort eine Distanz auf. Die Menschen reagieren darauf, wenn man vollkommen selbstlos das Werk in den Mittelpunkt stellt.

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Träumen Sie nicht manchmal davon, mehr im Rampenlicht zu stehen?

Es kommt immer wieder vor, dass jemand aus einem Quartett aussteigt, um Dirigent oder Solist zu werden. Da maße ich mir kein Urteil an, weil das ja sehr persönliche Entscheidungen sind und weil ich nicht weiß, wie es ist, 30 Jahre Quartett zu spielen. Ich weiß, wie es ist, fünf Jahre zu spielen. Und jetzt gerade kann ich mir nichts Erfüllenderes vorstellen, als Streichquartett zu spielen.

Leonkoro Quartet Do 12.12., 19.30, Elbphilharmonie, Kleiner Saal, Tickets zu 28,- unter T. 35 76 66 66; www.elbphilharmonie.de