Hamburg. Trotzdem bleibt das Gespür für intime Momente eine besondere Stärke der Mitglieder von Quatuor Hermès: in Töne gefasste Empathie

Sie wissen genau, wie Kammermusik geht. Spielen wunderbar fein, erkunden Zwischentöne, leuchten sensibel bis in die Tiefenschichten der Partituren hinein. Das haben die Mitglieder vom Quatuor Hermès schon oft demonstriert. Aber dabei bleiben sie nicht stehen. Seit dem letzten Auftritt in Hamburg, vor fünf Jahren, hat sich noch mal was getan. Nicht nur personell, durch den Wechsel am Cello, sondern auch in puncto Intensität.

Wie rau und ruppig die zweite Geigerin Elise Liu ihre Stimme in die Saiten schruppte, am Beginn der drei Stücke für Streichquartett von Igor Strawinsky: Das wirkte wie ein Signal, zum Auftakt des Konzerts im Kleinen Saal der Elbphilharmonie. Dafür, dass das Quatuor Hermès jetzt noch eine Spur mutiger agiert, dass die französischen Musikerinnen und Musiker noch mehr wagen und aus sich herausgehen.

Quatuor Hermès in der Elbphilharmonie: Temperament bis zum Anschlag

So wie im selten aufgeführten zweiten Streichquartett von Erich Wolfgang Korngold von 1933. Ein spätromantisches Stück, voller harmonischer Überraschungen, das manchmal in wenigen Takten durch den halben Quintenzirkel rauscht – und unverkennbar die Wiener Wurzeln des Komponisten verrät. Gerade im Finale, einem Walzer, den Korngold durch verschiedene Variationen in Richtung Ekstase tanzen lässt. Da drehte das Quatuor Hermès den musikalischen Hitzeregler hoch, steigerte Tempo und Temperament bis zum Anschlag. Mitreißend.

Ja, das Ensemble geht heute einen Schritt weiter, packt vielleicht etwas fester zu als früher. Auch in Beethovens Quartett op. 59,1, das in einigen Passagen die Grenzen der Kammermusik sprengt. Da ballte das Quatuor Hermès die Klänge und Rhythmen zu Gesten von explosiver Kraft.

Quatuor Hermès: Inniger Gesang und Mut zur Verletzlichkeit

Und trotzdem bleibt das Gespür für die intimen Momente eine besondere Stärke. Im langsamen Satz aus Beethovens Quartett op. 59,1 – eine Elegie, die alle Traurigkeit der Welt in sich zu tragen scheint – berührten die Streicherinnen und Streicher mit ihrem innigen Gesang und dem Mut zur Verletzlichkeit. Aber auch mit der engen Verbindung zwischen sich und der Musik. Berückend und irgendwie heilsam, diese in Töne gefasste Empathie zu spüren, die Menschen füreinander aufbringen können. Gerade in unseren Tagen.

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