Hamburg. Der Deutschrusse und Kleinkunstpreisträger gibt an der Kirchenallee seine bisher größte Show. Was seine Satire so ungewöhnlich macht.

„Locker vom Hocker“ hieß in den 80er-Jahren eine populäre Sendereihe im ZDF, in der der Hamburger Publikumsliebling Walter Giller lässig und charmant absurde Szenen und Sketche bekannter Schauspieler präsentierte. Nun sitzt Nikita Miller ebenfalls auf einem Barhocker. Jedoch erzeugt der 37-Jährige die Bilder im Kopf selbst.

Solch eine große Show wie im nahezu ausverkauften Deutschen Schauspielhaus hat der Comedian als Solokünstler noch nie gespielt. Aufgrund der großen Nachfrage hat das veranstaltende Centralkomitee diesen Abendtermin vom Steindamm an die Kirchenallee verlegt. Nikita Miller, der noch am Sonnabend seine Wahlheimat Baden-Württemberg beim „Ersten Bundesvision Comedy Contest“ live auf ProSieben vertreten hat, ist angekommen auf den großen Bühnen der Republik.

Schauspielhaus: Comedian Nikita Miller teilt gegen Scholz und Merkel aus

In Deutschland ohnehin. 2018 hatte der in Kasachstan (damals noch Teilrepublik der UdSSR) geborene Deutschrusse nach zwei halben Shows in zwei hiesigen Stadtteilkulturzentren das Finale des Hamburger Comedy-Pokals im Schmidts Tivoli erreicht, wurde dort aber wie weitere Kollegen von der bewusst ungelenken Helene Bockhorst aus Hamburg als Siegerin auf die Plätze verwiesen. Millers damaliger Auftritt hat auf YouTube dennoch mehr als zwei Millionen Klicks generiert.

„Im Westen viel Neues“ lautet der Titel seines dritten Soloprogramms, für das Miller im Vorjahr mit dem Deutschen Kleinkunstpreis ausgezeichnet wurde. Obwohl er sich damit schmückt, die Kunstform „Comedic Story Telling“ zu pflegen, rückt Miller im Schauspielhaus zunächst vom komödiantischen Geschichtenerzählen ab. Oneliner dominieren, eine Abfolge von teils derben Gags, wenn auch von Miller biografisch angereichert. Die Fans freut‘s.

Nikita Miller war schon Türsteher und Pizza-Lieferant

Pizza-Lieferant, Türsteher, Student der Medien-Informatik und der Philosophie, all das war Nikita Miller unter anderem: „Studium ist geil. Das ist wie arbeitslos. Nur, dass alle stolz auf dich sind.“ Dialoge mit seinem Opa baut Miller ebenso ins Programm ein wie Seitenhiebe auf den kichernden Olaf Scholz und dessen Vorgängerin Angela Merkel. Die sagte mal: „Deutschland geht es gut. Wir haben 80.000 Jobs kreiert“, zitiert Miller. „Ich weiß, ich habe drei davon ...“

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Richtig ins Geschichtenerzählen kommt Miller im zweiten Teil des Abends. Mehr denn je macht er seine russlanddeutsche Herkunft zum Thema, gewährt, gewitzt überspitzt, Einblicke in Kindheit und Jugend, verhandelt auf diese Art Integration, Vorurteile und Rassismus im Alltag. Auseinandersetzungen mit dem Vater, nicht ganz legale Spritztouren mit seinen Kumpels Viktor, Vadim, Oleg und Lars treibt er zu skurrilen Höhepunkten, kombiniert mit unerwarteten Rückbezügen. Gipfelnd in seiner Idee, einen Roman zu schreiben, obwohl ihm da viele reinreden wollen, mit „Trans-Russen, die auf lesbische asiatische Werwölfe treffen“.

„Kalasch“ soll der Titel des Buchs, das Ende November im Verlag WortArt erscheint, tatsächlich lauten. Man darf gespannt sein.