Hamburg. Nach der Saalräumung am Vorabend lagen am Sonntag auf 150 Plätzen graue Überwürfe. Die Lehnen waren teils noch feucht vom Wasserdampf.
Es ist eine Elbphilharmonie-Premiere. Ungewöhnlich, und voll im Hygge-Trend: 150 Besucherinnen und Besucher im vorderen Bereich des Saals finden eine Decke auf ihren Sesseln, farblich passend auf das Grau der Sitze abgestimmt. Damit habe man jetzt die einmalige Gelegenheit, sich im Konzert einkuscheln zu dürfen, sagt Barbara Fasching, Orchesterdirektorin des Philharmonischen Staatsorchesters, als sie das Publikum über den Sonderfall aufklärt. Ein Feuerfehlalarm am Vorabend hatte für einen Konzertabbruch und die Räumung des Saals gesorgt – und die Sprinkleranlage ausgelöst.
Manche Rücklehne scheint noch einen Hauch Restfeuchte in sich zu tragen. Dafür gibt’s die Decken. Und überhaupt: Stark, wie schnell und professionell die Elbphilharmonie das Problem über Nacht gelöst hat.
Der Saal klingt jedenfalls blitzeblank wie gewohnt. Und so hört man auch, dass das Unisono der Holzbläser am Beginn von Bruckners Neunter vielleicht einen Tick zu offen tönt, zu wenig geheimnisvoll. Aber ansonsten fängt die Aufführung den feierlichen Charakter der Musik sehr schön ein, die sich immer wieder zu mächtigen Höhepunkten auftürmt. Da strahlt die Blechbläserpracht des Orchesters, majestätisch, aber niemals brachial.
Elbphilharmonie am Tag nach dem Feueralarm: Kuscheldecken gegen Wasserschaden
Unter der Leitung von Kent Nagano vermitteln die Philharmoniker zwischen dieser wuchtigen Größe und den intimen Passagen, etwa im Zwiegespräch von Flöte und Horn. Nagano dirigiert aktiver als in manchen anderen Konzerten – und trotzdem lässt sich das Miteinander von seinen Gesten und musikalischem Geschehen nicht immer nachvollziehen. Das üppig besetzte Orchester scheint auch so klarzukommen. Meistens jedenfalls. Nur in der Einleitung zum düster stampfenden Scherzo, finden Streicher und Bläser in der Einleitung nicht zusammen.
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Dagegen sind die gewaltigen Bögen der Musik dicht und präzise modelliert. Auch im dritten Satz. Dort inszeniert der Komponist stellenweise eine apokalyptische Wucht, indem er mit den Orchestermassen dissonante Akkorde schichtet – und dann beschwört er plötzlich ein Friedensidyll, im Choral von Streichern und Hörnern. Überirdisch und entrückt.
An solche visionären Momente in Bruckners unvollendeter Sinfonie schließt das Programm, so überraschend wie stimmig, mit György Ligetis A-cappella-Soundzauberstück „Lux aeterna“ als Finale an. Gesungen vom Ensemble LauschWerk, ganz oben aus Rang W, schweben Ligetis Vokalfluktuationen in den Saal, flirren auf dem Trommelfell, und führen das auch musikalisch ungewöhnliche Konzert am Ende in eine magische Stille.