Hamburg. Das Pittsburgh Symphony Orchestra mit Manfred Honeck und Yefim Bronfman liefert im Großen Saal einen beeindruckenden Leistungsnachweis.
Als US-Tourneeorchester mit Sendungs- und Selbstbewusstsein kann man kaum ein plakativeres Stück an den Anfang eines Elbphilharmonie-Abends setzen als John Adams‘ „Short Ride in a Fast Machine“. Was der Titel verspricht, das bekam man dann auch bei dessen zweiten Gastspiel-Abend vom Pittsburgh Symphony Orchestra auf die Ohren: Fünf irrwitzige Minuten Turbo-Minimalismus, die es stabil in sich haben; rasanter Rhythmus, bei dem aber wirklich alles mitmuss, auf Trab gehalten durch den Drive aus der Schlagwerk-Abteilung, von bewährten Blechbläsern ohne Höhenangst angeheizt. Ein Riesenkrach zum Warmwerden und zum Publikumindiesitzedrücken.
Ein Höllenspaß aber auch, wenn so ein vollgetankter Orchester-Motor nach dem Motto „Wer bremst, verliert!“ losbrettert. Manfred Honeck ist dort seit 2008 Chef und weiß also bestens, dass er sich keine Sorgen um Fliehkräfte machen musste. Alles und jeder blieb fein und bissig grell in der Spur.
Bronfman meistert den Grat zwischen Raffinesse und Routine
Es ging also schon mal ziemlich toll los, und es wurde noch toller, mit Yefim Bronfman als Solist im 3. Rachmaninow-Klavierkonzert. Denn Bronfman grub sich so konzentriert und aufmerksam zugleich durch die Strapazen und die pianistischen Gemeinheiten seines Parts, als sei das Ganze eine Czerny-Etüde mit etwas mehr Noten und Motiv-Verästelungen als üblich.
Das Tutti lieferte unter Honecks Regie entspannt den nötigen Aufwind, damit der Flügel aus dem Stand abheben und Kunstflug-Pirouetten veranstalten konnte. Bei so viel gereifter Beherrschung des Materials kann der Grat zwischen Raffinesse und Routine schon mal dünn werden. Doch Bronfman ließ sich so gar nicht aus der Ruhe bringen und demonstrierte seine Klasse ganz ohne eitle Aufdringlichkeiten.
Elbphilharmonie: Großes Orchester-Kino für die Ohren, made in Pittsburgh
Pause, kurz abkühlen und schon ging es in hinein in die nächste Kollektiv-Herausforderung, Strawinskys „Feuervogel“-Suite. Wie schön, dass die Elbphilharmonie-Akustik in Verbindung mit großer Orchester-Spielkultur auch im siebten Jahr immer noch kleine angenehme Überraschungen liefern kann: Das eröffnende 12/8-Motiv der Kontrabässe soll auf einigen gestrichen, auf anderen aber gezupft werden. Hier sah man das nicht nur, man hörte es tatsächlich auch. Ein erstes, bei Weitem letztes Indiz für die musikdramatische Detailgenauigkeit, auf die Honeck großen Wert legte.
Die Steichertremoli, mit denen das triumphal schwebende Finale (und das tadellos geblasene Horn-Solo) vorbereitet wurde, dimmte er fast bis zur Unhörbarkeit herunter. Aber eben nur fast. Strawinsky als großes Ohrenkino.
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Honeck beendete das Hauptprogramm dieses Abends mit einer selbst erstellten Bearbeitung von Puccinis unvollendeter „Turandot“-Suite. Weder Prinzessin noch Rätsel, weder Prinz noch Chor, nicht einmal eine „Nessun dorma“-Andeutung. Aber auch ohne all das, als ob es dafür noch weitere Belege gebraucht hätte, ein beeindruckender Leistungsnachweis.
Konzerte: Am 10. und 11.10. (jeweils 20 Uhr) spielt Yefim Bronfman mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester Beethovens 3. Klavierkonzert, dirigiert von Alan Gilbert. Evtl. Restkarten.