Hamburg. Das Pittsburgh Symphony mit Manfred Honeck und Hélène Grimaud, mit Musik von Ligeti, Ravel und Mahler in der Elbphilharmonie.
Die Elbphilharmonie ist ein idealer Ort für die leisen, die sehr leisen und die superleisen Klänge. Eigentlich nichts Neues. Aber nur wenige Gäste reizen diesen Spielraum auch so konsequent und so zielsicher aus wie Manfred Honeck und sein Pittsburgh Symphony Orchestra. Gustav Mahlers erste Sinfonie ist Hauptwerk und Zielpunkt eines Programms, das wie maßgeschneidert für die Möglichkeiten des Großen Saals wirkt.
Das Flirren der Streicher zu Beginn: fast unmerklich, wie aus dem Nichts. Ein magischer Moment. Als könnten wir der Natur beim Erwachen zuhören. Aus einzelnen Kuckucksrufen der Holzbläser, die sich nach und nach zu einem Thema verdichten, entsteht allmählich eine ganze Welt. Ähnlich geheimnisvoll geflüstert: die zärtliche Melodie im dritten Satz, die Honeck mit flachen Händen zum Pianissimo abdeckelt.
Konzertkritik: Dirigent nutzt den Raum aus
Indem er sein exzellentes Orchester immer wieder weit herunterdimmt, öffnet der Dirigent einen großen Raum für Steigerungen, für Extreme. Und den nutzt er auch aus. Wenn er tragische Abgründe aufreißt, wenn er das Finale mit Urgewalt hereinbrechen lässt und die Besucherinnen und Besucher damit fast aus den Sitzen fegt. Oder wenn er, gerade beim Ländler im zweiten Satz, auch die derben Seiten der Musik hervorkehrt. Mit giftigen Akzenten der Hörner und einem fast ordinär rumpelnden Dreiertakt. Diesen Charakter deutet Honeck an, indem er auf dem Pult leicht hin und her schwankt, wie jemand, der schon ein paar Heurigen zuviel intus hat.
Honeck, in Wien aufgewachsen, dirigiert die Sinfonie auswendig und hat zu jedem Takt des knapp einstündigen Werks eine klare Idee im Kopf und im Ohr. Gerade die Rubati, die kleinen Dehnungen, mit denen er den Fluss der Musik hier und da ein kleines bisschen bremst und Übergänge hinauszögert, geben der Interpretation ihr ganz eigenes, idiomatisches Profil. Pittsburgh liegt wohl in Österreich, zumindest vorübergehend.
Hélène Grimaud zaubert am Flügel
Auch bei den zwei Zugaben, je einem sanften und einem zünftigen Walzer von Johann und von Richard Strauss. Die erste Hälfte führt in ganz andere Regionen der europäischen Musiklandschaft – aber auch da spielen die Klangfantasie der Komponisten und der Farbreichtum ihrer Partituren eine zentrale Rolle.
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Maurice Ravels Klavierkonzert mixt Einflüsse aus Klassik und Jazz zu einem leichtfüßigen, teilweise bunt schillernden Virtuosenstück. Die Flöte groovt, Fagotte blubbern, die Harfe streichelt das Trommelfell. Das Orchester agiert hier nicht ganz so dauerpräzise wie nachher bei Mahler. Aber Hélène Grimaud zaubert am Flügel. Gerade im langsamen Satz, wo sie – mit geschlossenen Augen, den Kopf in den Nacken gelegt – Ravels unendliche Melodie genießt und mit weichem Anschlag modelliert.
Konzertkritik: Publikum durch Auftakt sensibilisiert
Für die vielen Nuancen ist das Publikum da schon durch den Auftakt des Abends sensibilisiert: In seinem „Lontano“ für Orchester tastet György Ligeti am Rand der Stille entlang. Mit allerfeinsten Klangmischungen, oft im vierfachen Pianissimo, die verschiedene Instrumentalstimmen zu einem faszinierenden Sirren zusammenführen. Konturen verschwimmen, die Musik schwebt, gleitet und oszilliert. Man lauscht und staunt. Über die genial komponierten Sounds, über die Kraft der Stille und über den Saal, in dem die leisen Töne einen hypnotischen Sog entfalten.