Hamburg. Die Tuareg-Band verzaubert die Fans im Großen Saal. Bei den Zugaben gibt es ein Wiederhören mit einer ganz besonderen Sängerin.

Diese hypnotischen Grooves, die umstandslos in die Blutbahn gehen, diese Call-and-Response-Gesänge, die sofort vertraut sind, auch wenn man sie das allererste Mal hört: Ein Konzert von Tinariwen ist so viel mehr als nur Musik, es ist Seelennahrung, das Gefühl, gerade genau am einzig richtigen Ort zu sein. In diesem Fall in der Elbphilharmonie, wo die Tuareg-Band am Sonntagabend ihr Debüt im Großen Saal gibt.

Häufiger schont waren die Männer aus der malischen Sahara in Hamburg zu Gast, immer an Orten, an denen sich zu ihrem hochenergetischen Wüstenblues problemlos tanzen ließ. In der Elbphilharmonie ist das nicht ganz so einfach, aber ab dem sechsten Lied tauschen dann doch immer mehr Besucher ihren nummerierten Sitz gegen einen Platz am Rand ein, um sich zu Songs wie „Arawan“ und „Tamatant Tilay“ im Rhythmus zu wiegen. Angefeuert von furiosen Gitarrenläufen, die auch schon Carlos Santana und Robert Plant so begeisterten, dass sie unbedingt mit Tinariwen zusammenarbeiten wollten (und das dann auch taten).

Tinariwen: Wüstengrooves lassen das Elbphilharmonie-Publikum tanzen

Vor mehr als 40 Jahren wurde das Ensemble von Gitarrist und Sänger Ibrahim Ag Alhabib gegründet und zu einer Stimme der unterdrückten Tuareg. Die Tinariwen-Mitglieder ließen sich in libyschen Miltärcamps ausbilden und nahmen am bewaffneten Befreiungskampf teil, nach dem Friedensschluss im Jahre 1991 konzentrierten sie sich dann wieder ganz auf die Musik und veröffentlichten in ihrer Heimat zahlreiche Kassetten, die 2001 in die CD „The Radio Tisdas Sessions“ mündeten – der Auftakt zu einer Weltkarriere, der die Männern (und einige Frauen, die damals noch dabei waren) erst zu Festivals wie Womad und Glastonbury, dann in die großen Konzertsäle in Europa und den USA führten.

Tinariwen
Währen der Tinariwen-Zugaben stand auch Sängerin Mina Wallet Oumar auf der Bühne. © Daniel Dittus | Daniel Dittus

Inzwischen ist Tinariwen längst eine feste Größe in der internationalen Weltmusikszene, und das mit einem eigentlich eher sparsamen Sound. Fünf Gitarristen, ein Bassist, ein Percussionist, die alle irgendwann und oft gemeinsam singen: Mehr braucht es nicht, um einen Sog zu entwickeln, dem sich niemand entziehen kann. Was im Vergleich zu den Anfangsjahren fehlt, ist das weibliche Element, sind die sich geradezu überschlagenden Triller, für die einst Sängerin Mina Wallet Oumar zuständig war.

Die verließ Tinariwen der Liebe zu einem Deutschen und der resultierenden Kinder wegen, aber in Hamburg ist sie da, tanzt im eleganten Tasirnest-Wickelgewand, die Haare unter einem Tuch verborgen, mit Freundinnen am rechten Bühnenrand. Und wird zu den Zugaben von ihren alten Bandkollegen schließlich auf die Bühne gebeten. Da wiegt sie sich dann im Takt der Call-and-Response-Gesänge, lässt ihre Triller durch den längst euphorisierten Saal schweben und erweitert das Tinariwen-Klangbild um eine wichtige Komponente.

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Die Musiker in ihren traditionellen Gewändern und Turbanen, die in ihrer Heimat Schutz vor Sonne und Sandstürmen bieten, die betörenden Grooves, die bei aller Komplexität doch sofort ins Ohr gehen: Es ist dieses stimmige Gesamtbild, das dafür sorgt, dass auch in der Elbphilharmonie, Tausende Kilometer von der Sahara entfernt und ohne Chance auf einen stark gesüßten Pfefferminztee zwischendurch, ein Tinariwen-Konzert eine solche Kraft entfaltet. Und nach 90 Minuten schließlich ein beseeltes Publikum in die Hamburger Spätsommernacht entlässt.