Hamburg. Zum Spielzeitbeginn bewusst etwas „Unbeschwertes“: Die niederdeutsche Bühne feiert einen gelungenen Auftakt in die Saison 2024/25.

  • Bei „Barfoot in‘n Park“ stimmen Tempo, Timing und Taktgefühl
  • Die Vorlage, eine romantische Komödie des renommierten New Yorker Dramatikers Neil Simon, ist ein Evergreen
  • Das Ohnsorg Theater setzt zum Saisonstart bewusst auf Fröhliches und Unbeschwertes

„Barfuß im Park“, so lautet der Original-Titel der romantischen Broadway-Komödie des renommierten New Yorker Dramatikers und Drehbuchautors Neil Simon. Nicht erst seit der Verfilmung 1967 mit Robert Redford und Jane Fonda ist das Stück ein Evergreen. Und der Stoff passt in mancherlei Hinsicht in die Zeit.

Im Spätsommer respektive Frühherbst 2024 spielt die Geschichte statt in New York diesmal mitten in Hamburg: Mit „Barfoot in‘n Park – Verliebt, verlobt, verkracht“, der Stückfassung von Regisseurin Nora Schumacher und Plattdeutsch-Übersetzer Frank Grupe, setzt das Ohnsorg-Theater zum Saisonstart bewusst auf Fröhliches und Unbeschwertes „in diesen unruhigen, angespannten Zeiten“, wie Intendant Michael Lang bei der Premierenfeier anmerkte. Zuvor hatte das begeisterte Publikum im Saal dem Ensemble bereits mit minutenlangem Beifall gedankt.

Saisonstart am Ohnsorg Theater: Warum sich „Barfoot in‘n Park“ gerade jetzt lohnt

Und Nora Schumacher, die als Nachfolgerin des für manche Traditionalisten zu innovativen Murat Yeginer seit Mitte April mit Anke Kell (Dramaturgie) das künstlerische Leitungsduo des Hauses am Heidi-Kabel-Platz bildet, beweist einmal mehr, wie kreativ sie auch die Königsdisziplin Komödie umsetzt. Nach „De leven Öllern“, das im vergangenen Oktober live vom NDR Fernsehen übernommen wurde, und „Eine Stunde Ruhe“ (mit Publikumsliebling Erkki Hopf) zur Weihnachtszeit, stimmen auch bei „Barfoot in‘n Park“ Tempo, Timing und Taktgefühl.

Barfoot in´n Park – Verliebt, verlobt, verkracht - Ohnsorg Theater
Köstlich im Zusammenspiel: Birte Kretschmer und Konstantin Graudus in „Barfoot in‘n Park“ am Ohnsorg Theater. © Oliver Fantitsch | Oliver Fantitsch

In der wunderbar knallig-bunten Kulisse von Ausstatterin Anike Sedello (Bühne und Kostüme) mit 60er-Retro-Charrme kann sich das überzeugende fünfköpfige Ensemble richtig schön austoben. Allen voran natürlich Flavio Kiener und Lara-Maria Wichels. Beide spielen (in den Rollen Redfords und Jane Fondas) das frisch vermählte Paar, in der Ohnsorg-Fassung Paul und Conny Brahmann genannt.

Nach den ersten Flittertagen im Hotelzimmer gestaltet sich das Eheleben in der ersten gemeinsamen Wohnung mehr schlecht als recht, nicht nur weil sie anstatt im New Yorker Greenwich Village an der Hamburger Hinzpeter Straße liegt. Dort wie hier entpuppt sich die Wohnung als alt und zugig, es schneit im kalten Februar sogar herein, zudem ist sie in der „böversten Etaasch“, mithin fünften Etage, die Eingangstreppe noch nicht mal mitgerechnet.

Ohnsorg-Premiere: Für den „Verföhrungsdanz“ seiner Gattin hat Paul keinen Blick

In diesem Loch unterm Dach fehlen anfangs sämtliche Möbel, in die Slaapstuuv passt nicht mal ein Ehebett, und Conny kann dem Techniker von der Bundespost (!) vor dem Installieren des weißen Telefons (mit Gabel, Wählscheibe und extralanger Schnur) nicht mal ein Glas Wasser anbieten nach dessen Bergbesteigung. Nicht allein Übersetzer Grupe in seiner Nebenrolle als Telefonmann keucht, auch Ehemann Paul alias Flavio Kiener ist oben angekommen platt. Nur ein Running Gag des mit reichlich Szenenapplaus gefeierten Stücks.

Für den „Verföhrungsdanz“ seiner Gattin hat Paul keinen Blick. Anstatt sich in Wallung bringen zu lassen, denkt der Jung-Ehemann und -Anwalt eher an sein Plädoyer für seine erste Gerichtsverhandlung in Kiel. „För en Juristen küsst du verdammt goot“, lobt Conny noch. „För enen Küsser bün ik en verdammt goden Jurist“, entgegnet er trocken.

Lara-Maria Wichels und Kiener geben ein schönes Gegensatz-Paar ab, sie als aufgedrehte bis überdrehte junge Dame im gelben Kleidchen, er als im arg engen grauen Anzug steckender Anwalt. Beide agieren mit beeindruckendem Körpereinsatz, hüpfen auf und übers Sofa, hängen an der kalten Heizung, umkreisen den Nierentisch, stürzen und stehen wieder auf.

Aber auf einen gemeinsamen Nenner scheinen die Turteltauben Conny, die ihren Mann als „Spießer“ abkanzelt, und Paul nicht mehr zu kommen. Er würde sich ja noch nicht mal trauen, wie sie barfuß durch den Park zu laufen. Conny will keinen „Tokieker“, sondern auch privat einen „Maker“. Ehekrise und Scheidung gleich nach der Hochzeit drohen.

Birte Kretschmer erinnert nicht ganz zufällig an Heidi Kabels Look in guten alten Zeiten

Doch was wäre eine romantische Komödie ohne die Mutter der Braut? Birte Kretschmer spielt diese Edith Bartels komödiantisch vielschichtig und überzeugend. Erst als Dame aus Nienstedten im Kostümchen mit einer Dauerwelle, die nicht ganz zufällig an Heidi Kabels Look in guten alten Zeiten erinnert. Sie habe als Schauspielerin im Ohnsorg in „Mudder Mews“ agiert und einen Auftritt in „Buten för de Döör“ gehabt, verrät ihre Bühnentochter Conny über Edith.

Hintergrund dieser gewitzten Anspielungen: Theater-Ikone Kabel reüssierte in den 1970ern in jener Mutterrolle, und Kretschmer selbst gehörte zum ausgezeichneten Ensemble der plattdeutschen Version des Borchert-Dramas „Draußen vor der Tür“. Dass sie jetzt als Edith im Verlauf von „Barfoot in‘n Park“ etwas derangiert im Bademantel wieder in die Wohnung ihrer Tochter hereinschneit, liegt an einem der Nachbarn.

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Der heißt Victor Velasco, ist ein exzentrischer, chronisch klammer Dandy und Gourmet. Er thront über allen auf dem Dachboden. Konstantin Graudus, der schon zu Anfang des Stücks ohne viel Worte einen bejubelten urkomischen Kurzauftritt als Lieferant hat (von Karstadt, nicht etwa Amazon), zieht als ausschließlich hochdeutsch sprechender Aufschneider Victor in altrosa-schwarz-kariertem Anzug alle Register.

Als Mitglied eines Klubs von 150 Feinschmeckern („Heino und Uschi Glas sind auch dabei“) überrascht er Edith und das Jung-Ehepaar mit einer Pfanne Knichis. „Schnecken verderben schnell, Frau Bartels“, animiert er vollmundig zum Essen. Köstlich.

Von ihrer umgarnten Mutter bekommt Conny schließlich den Rat, auch auf Gatte Paul zuzugehen, um die Ehe zu retten. Alte Rollenbilder lassen sich eben auch in dieser aufgepeppten „Barfuß im Park“-Version nicht ganz abstellen. Statt „Tratsch op de Trepp“, Jens Exlers niederdeutschem Dauerbrenner aus den frühen 60ern, heißt es jetzt im Ohnsorg sinngemäß Knatsch vor de Trepp. Alles hat seine Zeit.

„Barfoot in‘n Park - Verliebt, verlobt, verkracht“ wieder Do 29.8., 19.30, bis 1..10., Ohnsorg-Theater (U/S Hbf.), Heidi-Kabel-Platz 1, Karten zu 32,48 (erm. 12,32) bis 40,30 unter T. 040/35 08 03 21; www.ohnsorg.de