Hamburg. Mit Anke Kell und Nora Schumacher bekommt das Theater eine neue künstlerische Leitung. Murat Yeginer scheidet schon im April aus.

Das traditionsreiche Ohnsorg-Theater ist auch 2024 für Überraschungen gut. Nach den Querelen im Vorjahr mit Rücktritten und Neuwahlen des Vorstands (und Aufsichtsrats) beim Ohnsorg-Eigentümer Niederdeutsche Bühne Hamburg e. V. rund um Ex-Ensemblemitglied Sandra Keck hatte Oberspielleiter Murat Yeginer (64) sein Aussscheiden im kommenden Sommer angekündigt. Unerwartet früh ist nun seine Nachfolge geregelt.

Die künstlerische Leitung des Großen Hauses am Ohnsorg übernimmt erstmals eine weibliche Doppelspitze, und das schon Mitte April: Anke Kell und Nora Schumacher folgen Yeginer, der seit 2018 als Oberspielleiter und künstlerischer Leiter trotz mancher Bedenken die Weiterentwicklung des Theaters hin zu einem moderneren Repertoire mit mehr Hochdeutschanteilen geprägt hat. Er geht früher als geplant, inszeniert im Februar noch sein letztes Stück, könnte als freier Regisseur nach Hamburg zurückkehren.

Theater Hamburg: Warum am Ohnsorg zwei Frauen den Oberspielleiter ersetzen

Intendant Michael Lang, seit Sommer 2017 für das Ohnsorg-Theater verantwortlich, begründete seine Entscheidung für ein künstlerisches Leitungsteam mit Nora Schumacher (Schwerpunkt Regie) und gleichberechtigt Anke Kell (Dramaturgie) am Dienstag: „Beide Kolleginnen sind fachlich und menschlich exzellent geeignet für die Aufgaben der künstlerischen Leitung, zudem der plattdeutschen Sprache sehr zugewandt“, sagte Lang. Außerdem halte er den Zeitpunkt für richtig, „auf dieser Position einen Generationenwechsel vorzunehmen und die weibliche Handschrift bei Inszenierung, Stückauswahl und Besetzungsfragen weiter zu fördern“.

Anke Kell (45), einst am Lichthof und am Altonaer Theater, kam vor einigen Jahren zunächst als Dramaturgin fürs Ohnsorg-Studio an den Heidi-Kabel-Platz, war dann auch für Sonderprojekte zuständig und arbeitet inzwischen ebenso für das Große Haus. Mit Yeginer hatte sie im Frühjahr 2021 den Autorenwettbewerb „Große Freiheit Schreiben“ initiiert. Erst 2023 hat Kell, bestens vernetzt in der hiesigen Kulturszene und mit Verlagen, den Weiterbildungsstudiengang Theatermanagement an der Ludwig-Maximilians-Universität München absolviert.

Ohnsorg-Theater: Nora Schumachers Stück „De leven Öllern“ lief live im NDR

Nora Schumacher inszeniert seit 15 Jahren am Ohnsorg-Theater, lange Zeit eigene Märchen-Adaptionen (traditionell am Haus auf Hochdeutsch) wie „Des Kaisers neue Kleider“ und „Hase und Igel“. Seit gut zwei Jahren hat sich die 47-Jährige auch einen Namen mit Inszenierungen für Erwachsene gemacht, etwa mit „De leven Öllern“, das im Oktober vom NDR Fernsehen live übertragen wurde, und zuletzt mit „Eine Stunde Ruhe“. Als Regisseurin war und ist sie auch an anderen norddeutschen Bühnen tätig, in dieser Saison am Allee Theater in Altona. Sowohl Schumacher als auch Kell sind schon in weitere künstlerischen Planungen eingebunden.

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Mit ihnen beiden sowie den für die Studio-Bühne verantwortlichen Cornelia Ehlers (künstlerische Leitung) und Julia Bardosch (Stellvertretung und Theaterpädagogik) nehmen jetzt gleich vier Frauen einer jüngeren Generation Gestaltungsspielraum am Ohnsorg ein, in dem mit Intendant Lang und dem kaufmännischen Leiter Jens Klein nur noch zwei Männer maßgeblich mitbestimmen.