Hamburg. Das New Yorker YouTube-Phänomen sorgte mit seinen wilden Electro-Pop-Improvisationen für den wohl schrägsten Abend der Open-Air-Saison.
„The Big Lebowski“ in Winterhude: Viele der 4000 Fans des New Yorker Performance-Künstlers Marc Rebillet kommen am Dienstag im Bade- oder Morgenmantel zum Konzert im fast ausverkauften Stadtpark. Sie sind inspiriert von Rebillet, der gern in Frottee-Lumpen auftritt und tatsächlich etwas an Jeff Bridges als „Dude“ in der Komödie der Coen-Brüder erinnert. Und obwohl es keinen „White Russian“ an den Bars gibt, sind die Schlangen an den Bierständen so lang wie selten. Nicht jeder geht gerade.
Aber schräg ist schön beim Auftakt der Hamburg-Berliner Konzertreihe „Off Days“, die mit Rebillet und seinem kalifornischen Kumpel Flying Lotus sowie am Mittwoch mit Roísín Murphy und Peaches (ausverkauft) Pop-Experimente abseits des Mainstreams präsentiert. Wobei die erste Stunde mit Flying Lotus noch sehr zugänglich ist. Wie in einem DJ-Set der alten Grandmaster-Flash-Schule remixt der Enkel von Motown-Songschreiberin Marilyn McLeod in schneller Folge Tracks von Thundercat, Kendrick Lamar, Auston Ato, Kettama und Mono/Poly und eilt so quer durch die Stile, von Funk und Hip-Hop über House und Tech-House zu Dubstep und zurück. Schön tanzbar. „Quite an experience“, fasst Flying Lotus seine Show zusammen. Ja, durchaus eine Erfahrung.
Marc Rebillet: „Vergesst die anderen Shows, vergesst Taylor Swift“
Rebillet hingegen ist einfach nur durchgeknallt. Der mit seinen im Schlafzimmer improvisierten Loopstation-Eskapaden auf YouTube erst 2016 in den dunklen Nerd-Ecken von Facebook und Reddit und 2022 nach einem Werbeclip für Edeka auch in Deutschland bekannt gewordene Konzept-Künstler denkt sich seine Stücke im Stadtpark spontan aus. In roter Unterhose mixt er zwischen aufblasbaren Möbeln tobend Congas, Shaker, Effekte und Beats zusammen, drückt auf die Auslöser für Konfetti- und Rauchkanonen und brüllt, was ihm gerade einfällt: „Vergesst die anderen Shows, vergesst Taylor Swift und King Gizzard & The Lizard Wizard!“
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Das ist witzig, absurd, über die Langstrecke aber auch anstrengend für alle Sinne. Das Publikum feiert trotzdem hart. Der reinste Kindergeburtstag. Ein ganz junger Anhänger darf sogar auf die Bühne und in die Loopstation schreien, Rebillet kreiert daraus Endlosschleifen, die wie Kreissägen das Gehör schnetzeln. Währenddessen pritschen die Fans die in die Menge geworfenen aufblasbaren Dekors durch das Rund. Die wiegen einige Kilo, wie der Autor dieser Zeilen feststellen muss, als er einen riesigen Ball weiterfaustet. Aber das Fazit schreibt sich auch mit links, eine Ansage von Rebillet: „Jetzt hab ich euer Geld und kaufe mir irgendein Zeug.“ Das ist wohl, trotz Erobique und Helge Schneider, der schrägste Abend der Open-Air-Saison.