Hamburg. Der Auflagenkönig war mit Special Guest im Schauspielhaus. Es ging um sein Debüt – und Hunde, die zur falschen Zeit bellen.
Nicht so selten wird der Name Fitzek ziemlich abwertend im Munde geführt. Klarer Fall von Erfolgsverwirrung: Warum, zur Hölle, ist gerade Thriller-Autor Sebastian Fitzek der Herrscher über den deutschen Buchmarkt? Wer sich das fragt und damit auf Verständnislücken zielt, die Millionen von Lesern nicht haben, attestiert den Fitzek-Hits sicher zum Beispiel fehlende Raffinesse.
Was soll man sagen: Ist schon alles richtig, das mit der Zurückhaltung. Aber Erfolg ist interessant. Ortstermin Schauspielhaus also, Sonnabendabend, Primetime. Sebastian Fitzek, nach bescheidenen Maßstäben der Literatur fast eine Art Popstar, trat ausgerechnet in einem hohen Haus der Literatur auf, auf Einladung des Harbour Front Festivals. Es gibt mal wieder eine Verfilmung eines seiner Bücher, das Fitzek-Debüt „Die Therapie“ läuft demnächst auf Amazon Prime.
Sebastian Fitzek in Hamburg: mit Special Guest zurück zum Karrierestart
Man ging da also hin. Man brachte das Wissen mit, dass da ein sich auf Eigen-PR allerbestens verstehender, bühnensicherer Mann wie immer vor großem Publikum auftreten würde; einer, der bei seinen Shows nicht langweilt. Aber es drängte sich, verdammt, neben das Interesse am Erfolg und wie er sich in der Literatur zeigt – in Person Fitzeks – schon wieder das unterdrückte Vorurteil. Ist das Deutschlands überschätztester Autor? Kann man das dann auch einer TV-Adaption ansehen? Oder soll man derlei nach Kritikerarroganz müffelnde Überlegungen einfach vergessen?
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Letzteres war sicher eine gute Handlungsanleitung. Einfach mal unvoreingenommen zwei Leuten dabei lauschen, die über ihre Arbeit sprechen: Neben Fitzek war Stefan Kampwirth auf der Bühne, der Hauptdarsteller von „Die Therapie“. Margarete von Schwarzkopf moderierte und lenkte diesen Abend, der erklärtermaßen den TV-Transfer des Stoffs nachvollziehen wollte. Erst las Fitzek aus seinem 2006 erschienenen Roman. Dann Kampwirth aus dem Drehbuch. Und final wurde ein Ausschnitt der Serie gezeigt, die ab 26. Oktober abrufbar ist: Ein „therapeutischer“ Dreiklang, vielleicht auch für Fitzek-Skeptiker.
Sebastian Fitzek: Angenehm uneitel – und zufrieden
Der kräftige Jubel zu Beginn galt fraglos diesem Fitzek, der wie stets superangenehm im unkapriziösen Gelände („Drehbuchautoren wissen, was sie tun“) unterwegs war – null Autoreneitelkeit hier, wo andere am Set das letzte Wort haben wollen. Die – es fällt einem, Pardon, kein anderes Wort ein – fidele Moderatorin Schwarzkopf schaffte es tatsächlich, auf den Frage-Langweiler zu verzichten, wie Fitzek die Verfilmung seines Stoffes um den Berliner Toppsychiater Viktor Larenz, dem seine Tochter auf maximal mysteriöse Weise abhandengekommen ist, denn nun finde.
Bei der Vorführung der ersten zehn Minuten des Sechsteilers hatten die Protagonisten auf der Bühne übrigens den miesesten Platz, klar: Das Trio saß direkt vor der Leinwand. Alle anderen im Schauspielhaus hatten eine gute Sicht auf das Geschehen und bekamen einen Eindruck davon, wie die Fitzek-Fiction im Falle von „Die Therapie“ visuell adaptiert wurde: ziemlich ordentlich. In Fitzeks Äußerungen schien Zufriedenheit mit der Fernsehversion deutlich durch.
Der Hamburger Schauspieler Stefan Kampwirth las aus dem Drehbuch
Was auch an Stefan Kampwirths Darstellung des manischen Trauerkloßes Larenz liegt. Beim Vortrag des Drehbuchs floss von seinem Spiel manches in die Dialoge. Der Rest war Erklärstunde: So sind Drehbücher verfasst, und das und das passiert am Set. Der Hund, der nicht an den richtigen Stellen bellen wollte, die Sonne, die auf Föhr leider immer schien, wo der Stoff doch so düster ist. Der Ballett-Typ, der bei simplen Szenen wie „Der Held geht durch die Dünen“ den Hamburger Kampwirth doubelte, damit der derweil andere Szenen drehen konnte: kurioses Anschauungsmaterial für ein fachfremdes, dankbares Publikum.
Manches, etwa der Verweis auf die Romanreduktion im Drehbuch, wirkte in seinem Gehalt banal. Dass Fitzek einer von nicht so vielen Autoren ist, die tatsächlich Fans haben, offenbarte sich aber am zwischendurch eruptiven lautlichen Geschehen im Publikum. Andererseits durfte man im Schauspielhaus sozusagen den deutschen literarischen Massengeschmack begutachten: Die Leute, die sich von Fitzeks Thrillern so gerne fesseln lassen, sind männlich wie weiblich und alt wie jung. Bedauerlicherweise interessiert sich kein einziger von ihnen für die Shortlist des Deutschen Buchpreises.
Ob der Berliner Fitzek das nörgelnde Feuilleton für eine Ansammlung kläffender Kritiker hält? Möglicherweise. Bremsen lässt er sich so oder so nicht. Fitzek (er ist chronisch produktiv, der neue Roman „Die Einladung“ erscheint praktisch gleichzeitig mit der Ausstrahlung von „Die Therapie“) ist ein purer Unterhaltungsautor, dessen Handwerk keinerlei Sprachkunst beinhaltet, aber große Lust an explosiver Handlung.
Sebastian Fitzeks nächster Thriller erscheint schon bald
An diesem Abend parlierte er locker über seine Schreibanfänge und Anhänglichkeit an die Figur Viktor Larenz („Sie hat mich zum Autor gemacht“); er spottete dezent über den Superstarkollegen Stephen King, dem Kubricks „The Shining“ nicht gefiel. King drehte dann ein erfolgloses Remake, „das wird bei ‚Die Therapie‘ sicher nicht passieren“, so Fitzek. Larenz-Darsteller Kampwirth („Ich habe mich daran gewöhnt, mir auf der Leinwand beim Altern zuzusehen“) erinnerte daran, dass „Die Therapie“ via Amazon weltweit zu sehen sein wird.
Sebastian Fitzek am Ende vielleicht gar als Vorlagengeber für einen deutschen Streaming-Hit, da wäre man dann wieder bei der Frage aller Fragen. Also, ist der Auflagenkönig, der allen Besuchern empfahl, „Die Therapie“ zwecks größeren Genusses beim Binge-Watching (ist tatsächlich irgendwie schon besser, sich von den Wendungen überraschen zu lassen) der Verfilmung nicht erneut zu lesen, denn jetzt überschätzt?
Kaum. Der Mann ist eine Thrillermaschine und als solche jemand, der Menschen zum Lesen bringt, die anderenfalls unter Umständen komplett an die Glotze verloren wären. Ein Autor des Volkes, der diesem gibt, wonach es verlangt. Am Sonnabendabend im Schauspielhaus zum Beispiel Autogramme in seine Bücher. Man dürfte schwerlich einen Autor finden, der in seiner Umgänglichkeit publikumsnäher ist. Auch das ein Grund für den nicht enden wollenden Fitzek-Hype.