Hamburg. Víkingur Ólafsson kommt mit Bachs Goldberg-Variationen auf einem Flügel für fast 300.000 Euro. Der Pianist ist dabei eher Nebensache.
Welcher Musikenthusiast, welche Musikenthusiastin wünschte sich das nicht: dass sich die ewige Lücke zwischen instrumentalem Wollen und Können einmal schlösse. In der schönen neuen digitalen Welt ist ja (fast) nichts unmöglich. Der Klavierhersteller Steinway rückt dem Traum von den unbegrenzten Möglichkeiten schon mal ziemlich nah auf die Pelle. Wer das nötige Kleingeld hat, kann sich die Kunst eines ganz Großen ins eigene Wohnzimmer holen: Am Montag, dem 24. Juni spielt Víkingur Ólafsson Bachs Goldberg-Variationen in der Elbphilharmonie. Hamburg ist die letzte Station seiner Welttournee mit dem Zyklus; zu deren Auftakt war er vergangenen Oktober damit in der Laeiszhalle zu Gast.
Víkingur Ólafsson bringt in der Elbphilharmonie Steinways teuerstes Spielzeug zum Klingen
Aber Ólafsson ist nicht nur im Konzertsaal selbst zu erleben, denn zum Einsatz kommt Steinways Edelspielzeug, genannt Spirio r. Das Instrument in Gestalt eines D-Flügels ist mit einer Technik ausgestattet, die jeden Tastendruck des Pianisten – nach Angaben des Hauses in Echtzeit und hochaufgelöst– auf andere Instrumente desselben Typs überträgt. Auf denen spielt Ólafsson dann gewissermaßen zugleich. Zumindest bewegen sich die Tasten identisch. So geht sie, die wundersame Pianistenvermehrung.
Zusätzlich filmt Steinway den Künstler und zeigt das Video als Livestream in der Hamburger Niederlassung am Rondenbarg. Für das Publikum in der Elbphilharmonie wird von der computergestützten Magie bis auf ein paar Kabel und Kameras nicht viel zu sehen sein.
Vor zwei Jahren wurde Lang Langs Spiel in die Elbphilharmonie gestreamt
Dass der Spirio r vom Konzertsaal aus an die angeschlossenen Schwesterinstrumente sendet, ist eine Premiere. Als Steinway das Instrument mit der Livestream-Technologie im Oktober 2022 in der Elbphilharmonie vor geladenem Publikum vorstellte, war es umgekehrt: Ólafssons Kollege Lang Lang musizierte seinerzeit am Rondenbarg; die rund 1.500 geladenen Gäste sahen also nur die selbstspielenden Tasten.
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Was der Spaß kostet? Für die Wohnzimmergröße eines Steinwayflügels, die heißt B, darf man mit der digitalen Ausstattung schlanke 218.000 Euro hinblättern, für die Konzertsaalvariante D sogar 293.950 Euro. Mit der Technologie kann der stolze Besitzer dann auch sich selbst aufnehmen, die Aufnahmen bearbeiten und mit der Spirio-r-Community teilen. Obendrauf gibt es ein iPad und eine Musikbibliothek mit Aufnahmen großer Stars aus Klassik und Jazz, die kontinuierlich erweitert wird.
Und Selberüben? Ist nur noch für die ganz Harten.