Hamburg. Ganz im Dienst der Musik: Cembalist Jean Rondeau spielte die Goldberg-Variationen von Bach im Kleinen Saal und verzauberte.
Es ist nichts Neues, wenn Musiker bei ihren Recitals den Konzertsaal abdunkeln. Das schafft Atmosphäre, das zwingt zur Konzentration. Nur ein wenig Licht auf den ausführenden Künstler. Aber so dunkel wie bei dem französischen Cembalisten Jean Rondeau – der mit der punkigen Zottelhaarfrisur – und seinem Elbphilharmonie-Gastspiel mit Johann Sebastian BachsGoldberg-Variationen ist es selten. Programmheft lesen war unmöglich. Selbst am Schluss beim begeisterten Applaus nach einer langen Stille wurde das Licht nur minimal hochgefahren.
Knapp 90 Minuten ging es nur um Johann Sebastian Bach und seine legendären (Goldberg-)Variationen. Der Name stammt nicht vom Komponisten. Kein Pianist kommt daran vorbei, es gibt zig Aufnahmen. Spätestens seit den Einspielungen von 1955 und 1982 durch Glenn Gould hat der Zyklus – auf dem Klavier gespielt – Kultstatus erreicht. So sehr, dass sich selbst klassikgeübte Ohren an den Cembaloklang ein wenig gewöhnen müssen. Dabei hat Johann Sebastian Bach seine „Clavierübung, bestehend in einer ARIA mit verschiedenen Veränderungen“ für das Cembalo und seine Möglichkeiten komponiert. Technisch anspruchsvoll sind die in zehn Dreiergruppen strukturierten 30 Variationen allemal. Auf dem Klavier, das nur eine Tastatur hat, sind sie vermutlich schwerer, weil sich die beiden Hände oft ins Gehege kommen. Das Cembalo hat zwei Manuale (Tastaturen), freie Bahn also für jede Hand.
Elbphilharmonie Hamburg: Cembalist Jean Rondeau spielt Variationen von Bach, die Leben verändern
Jean Rondeau spielte unprätentiös, ganz im Dienst der Musik. Es gelang ihm ein ruhiger Fluss. Auch wenn man sich bei den rasenden Läufen und gebrochenen Akkorden, wo die Töne nicht gleichzeitig, sondern nacheinander angeschlagen werden, oft wie in einem rauschenden Meer der Töne fühlte.
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Rondeau ließ seine Finger federleicht über die Tasten tanzen. Manchmal beugte er sich mit dem Kopf und seiner Nasenspitze bis zu den Tasten herunter, dann wieder saß er kerzengerade und spielte mit minimaler Bewegung. Obwohl es supervirtuose Stellen gibt, verfiel der 32-jährige Franzose nie in einen Virtuosenrausch. Immer klang es leicht und intim. Und da die meisten Klassikkenner und -liebhaber vermutlich den Klavierklang bei diesem „Stück für die einsame Insel“ im Kopf haben, gab es bei dieser Cembaloversion einiges neu zu hören. Da klingen die durch den ganzen Tonraum springenden Pralltriller zum Beispiel um ein Vielfaches frecher und knackiger als auf dem Klavier.
Auch wenn Dynamik auf dem Cembalo Grenzen hat, so hat Rondeau die beiden Manuale des Cembalos optimal genutzt und für jedes verschiedene Klangfarben eingestellt. Dadurch kamen die Strukturen und vielen melodischen Linien, die sich oft komplex verschränken, gut zur Geltung. Der dunkle Kleine Saal der Elbphilharmonie und der zartere Cembaloklang verstärkten die Intimität dieser Musik. „Liebhabern zur Gemüthsergetzung verfertiget“, das setzte Bach auf das Titelblatt des Erstdrucks von 1741. Und tatsächlich, irgendwie ging man als anderer Mensch aus diesem Konzert.
Nächste Goldberg-Variationen-Konzerte: 13.12., 19 Uhr, Kulturladen St. Georg: „Salam Bach!“ mit dem Trio D‘Iroise & Syriab Trio. 21.12., 19.30 Uhr, Elbphilharmonie, Kl. Saal: Yamen Saadi/Sara Ferrández/Pablo Ferrández. Aktuelle Goldberg-Aufnahmen: Jean Rondeau (Erato, 2 CDs, ca. 20 Euro). Vikingur Olafsson (DG, CD ca. 20 Euro/Vinyl ca. 55 Euro)