Hamburg. In Messiaens monströs besetzter Turangalîla-Symphonie unter Sylvain Cambreling fühlte man sich manchmal fast wie ein Astronaut. Doll!

Für die monströs besetzte Turangalîla-Symphonie von Olivier Messiaen war das Residenzorchester der Laeiszhalle zum Abschluss seiner Konzertsaison am Montag extra einmal in die Elbphilharmonie umgezogen, obwohl dieses Werk von den größten Orchestern und auch den Symphonikern Hamburg selbst am Johannes-Brahms-Platz schon oft aufgeführt worden war und auch in der Laeiszhallen-Akustik nichts von seiner rauschhaften Wirkung eingebüßt hätte.

Aber es war schon eindrucksvoll, wie der Klaviersolist David Kadouch in der Elbphilharmonie mit seinem Flügel mitten im Orchester platziert werden konnte und die Solistin des frühen elektronischen Instruments Ondes Martenot, Nathalie Forget, viel Platz rechts neben dem Pult des Dirigenten Sylvain Cambreling hatte, um die vielen Bestandteile ihres sonderbaren Klangerzeugers auszubreiten. Bis zu den Rändern war das Podium gefüllt mit allen nur verfügbaren Orchestermitgliedern und exotischem Instrumentarium wie einem Klaviaturglockenspiel, chinesischen, türkischen und sogar sogenannten „Crash“-Becken, Maracas, einer grell durchdringenden Piccolotrompete und vielem mehr.

Symphoniker Hamburg: Das ging bis zum Einschlafen nicht mehr aus dem Kopf

Sofort war man gepackt von den Rhythmen und den pfeifenden Glissandi der Ondes Martenot, bevor markige Bläserakkorde das erste der zyklischen Themen der Turangalîla-Symphonie vorstellten, das sich wie alle anderen sogleich in die Erinnerung eingrub und bis zum Einschlafen nicht mehr aus dem Kopf gehen sollte. Je nachdem, mit wem die Klänge der Ondes Martenot sich vermischten, immer wieder verliehen sie etwa im Zusammenspiel mit der ersten Geigen dem Klang traditioneller Instrumente völlig neue Klangfarben. Nathalie Forget, die Professorin am Conservatoire National Supérieur de Paris für dieses Instrument ist, arbeitete aber auch mit allen nur denkbaren Tricks, indem sie in verschiedensten Intensitäten durch Fingervibrati auf der Tastatur der Ondes Martenot die Klänge verändern konnte.

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Im Orchester war die Vielfalt nicht minder groß, als sich im dritten Satz „Turangalîla I“ zum Beispiel Marc Renners Solo-Oboe mit einem Konzertmeister-Solo Adrian Iliescus und Kadouchs Klavier vermischten, um gleich darauf von dumpfen Schlägen auf die Große Trommel gestört zu werden, was ein wenig klang, als ließ jemand am hinteren Rand der Bühne gerade einen Sack Kartoffeln fallen. Die Klangverfremdungen waren umwerfend in diesem gigantischen Werk, das von leidenschaftlichster Melodik und bizarrsten harmonischen Wendungen ebenso durchzogen ist wie von tänzerischen Elementen, die die Grenzen zum Jazz voller Swing und Groove durchbrechen. Im Satz „Jardin du sommeil d’amour“ mit seinen Vogelstimmen nachahmenden Soli im Klavier und weiten Legatobögen in der Soloflöte verwandelte sich diese Symphonie in eine wahre Märchenmusik voller Geheimnisse und Zauber.

Und die Ruhe dieses Satzes hatte etwas Betäubendes, sodass man ins Träumen geriet und sich vorübergehend fast wie ein im Raum schwebender Astronaut fühlte. Am Ende dann ein Ausbruch an Freude und Lebensbejahung mit den großen Orchestertutti, in denen auch die letzten Dissonanzen und Schärfen von einer Welle der Harmonie ohne Erbarmen hinweggefegt wurden.