Hamburg. Krieg in Westeros, bei den Weißhaarigen ist der Wahn schon da, die Nachtwache steht: Voilà, jetzt gibt‘s neue Folgen des Fantasy-Epos.
„Ein Sohn für einen Sohn“ heißt die erste von acht neuen „House of the Dragon“-Folgen. Und man kann sich dann schon denken, dass der eine Zweig des Herrschergeschlechts Targaryen sich am anderen auf fatale Weise rächen wird. Auf Westeros, jener meist auf Brutalität, Tyrannei und Gewalt gebauten Welt des Fantasy-Großmeisters George R. R. Martin, muss die Hütte ordentlich brennen, damit die Zuschauer den vollen „Game of Thrones“-Geschmack zu schmecken bekommen.
Am Ende von Staffel eins des „Game of Thrones“-Prequels „House of the Dragon“ – beide Serien fußen auf den Romanen Martins – killte der verhaltensauffällige Aemond Targaryen (Ewan Mitchell) mit seinem Powerdrachen Vhagar seinen Neffen Lucerys. Dem muss dessen Mutter Rhaenyra (Emma D‘Arcy), die außerdem vehement den Eisernen Thron beansprucht, jenen Fetisch aller hochwohlgeborenen Westeros-Bewohner, nun mit einem Vergeltungsschlag begegnen. Es ist ja alles auch eine eiserne Regel hier: Alles passiert immer wieder, Verrat, Triumph, Niederlage, Krieg, Frieden. Und Inzest ist dabei natürlich immer erlaubt, aber nie eine wirklich gute Idee. Wobei es einen stets schaudert, wenn sich Rhaenyra und ihr durchtriebener Ehemann und Onkel Daemon (Matt Smith) vor Leidenschaft lodernd einander an den Herrscherhals werfen.
Neue Staffel „House of the Dragon“: Lahmer Start mit üblichem Palaver, dann Drachenpower
Will man das nun alles, nach sechs größtenteils fesselnden „Game of Thrones“-Staffeln, noch mal sehen? Klarer Fall von: Jein. Bereits die erste Staffel recycelte den Stoff mit dem üblichen Aufwand, in dem es die fiesen Frisuren der weißhaarigen Targaryens prächtig mit noch viel, viel mehr Drachen in Szene setzte. Voilà, nach lahmem Start und dem üblichen Palaver (nichts langweiliger als die Ratssitzungen, in denen Alliierte der jeweiligen Partei erörtert werden) sind die feuerspeienden Superwaffen diesmal in „House of the Dragon“ im Dauereinsatz. Die Special Effects machen die Drachenangriffe zu optischen Erlebnissen, wobei das amtliche Gemetzel erst nach einer ganzen Weile einsetzt. HBO lässt sich die Serie einiges kosten. Sie muss ein Hit bleiben; die Produktion der US-Serienschmiede („The Sopranos“, „Sex and the City“, „Succession“) stottert seit einiger Zeit.
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Die shakespearesche Existenzialität und Härte, die den Hass immer besonders auch auf den lenkt, der dem Schoß derselben Mutter entstammt, sind auch in den neuen Folgen Handlungstreiber. Wie evil wird der Topschurke Aemond werden? Mit ihm und seinem monströsesten aller Drachen verhält es sich wie mit Manchester City und Pep Guardiola, eine unfaire Zusammenstellung. Wahnsinnig, auch vor Schmerz, wirkt aber vor allem sein Bruder, König Aegon (Tom Glynn-Carney), ein dekadentes Nervenbündel.
Neue Staffel „House of the Dragon“: Hunger nach aufgeschlitzten Eingeweiden
Werden die Frauen erfolgreich Diplomatie betreiben, neben Rhaenyra ist da die Nebenbuhlerin Alicent Hightower (Olivia Cooke) zu nennen – sind sie nicht die besseren Politiker, weil zu Empathie fähig? Aber ohne Kriegshandlungen kein Thrill, man kann sich vorstellen, wie das alles ausgeht. In „House of the Dragon“ wird weiter mit Hunger nach aufgeschlitzten Eingeweiden das Schwert gezogen.
Trauer, Hass, Neid, der Glaube an die Vorsehung und der Kampf um die Macht, die auf jahrhundertealten Legitimationen beruhen soll, sowie die jeweils eigene Agenda, die wirklich jede Figur hier antreibt, sind die verlässlichen Plot-Bestandteile dieses herrlichen Fake-Mittelalter-Quatsches, der immer noch gut funktioniert. Aber das vor allem nicht zuletzt deswegen, weil die Drachen jetzt mal richtig ernst machen.
Wo sie ihren feurigen Atem hinschicken, wächst kein Gras mehr. Ob HBO mit „House of the Dragon“ die Streaming-Konkurrenz, also zum Beispiel auch die nächste „Star Wars“-Serie auf Disney+, plattmachen wird? Gut möglich, aber neue machtvolle Erzählungen wird das Serienfernsehen demnächst dennoch brauchen. Die neuen Aufgüsse alter Geschichten werden nie der heiße Scheiß sein.
Die neuen Folgen von „House of the Dragon“ laufen ab dem 17. Juni auf Sky/Wow.