Ab sofort wird wieder gemetzelt: Die Westeros-Vorgeschichte glänzt mit Blut, Sex und noch mehr Drachen. Ob das reichen wird?

Es geht wieder los im Fake-Mittelalter, in der Fantasy-Welt mit dem Blutgemetzel, der Gier nach Macht und den tödlichen Leidenschaften. „Game of Thrones“ ist zurück. Oder jedenfalls fast. Die Blockbusterserie, die zwischen 2011 und 2019 lief und Maßstäbe setzte, hat nun ein Spin-off. „House of the Dragon“ läuft seit dem 22. August. Und ist das klassische Weiter-So. Wenn eine Geschichte gut ist, wird sie halt weitererzählt.

Beziehungsweise, und das ist der Clou, geht es in „House of the Dragon“ um die Vorgeschichte von „Game of Thrones“. Genauer um die, wie wir jetzt lernen oder bereits in den Romanvorlagen von George R.R. Martin gelernt haben, tatsächlich seit jeher dysfunktionalen Herrscherfamilie Targaryen, in dem Neurotiker der Macht noch jeden Frieden in Krieg verwandelt haben.

„House of the Dragon“ist Spin-off von „Game of Thrones“

Wir erinnern uns: In „Game of Thrones“ war es Daenerys Targaryen, die mit stählernem Willen den Eisernen Thron ins Visier nahm, jenes Machtzentrum von Westeros, in dem Clans und Cliquen um den Platz auf dem fatalen Gestühl rangen. Daenerys konnte gut mit Drachen; ihr Glück, so konnte sie im Kampf gegen die Lannisters in die Favoritenrolle rücken und nebenbei das weibliche Prinzip gegen das männliche stellen. Leider setzte sie alle feministischen Hoffnungen in den Sand, weil sie sich nicht von den Machtspielen emanzipieren konnte.

Am Ende musste sie ihr Neffe, der interessanterweise auch ihr Lover war, erstechen, um größeren Schaden vom Land abzuwenden. „House of the Dragon“ spielt 200 Jahre früher und folgt, was die großen erzählerischen Linien angeht, der Saga „Feuer und Blut – Aufstieg und Fall des Hauses Targaryen“. Was man an der Vorgängerserie schätzen konnte, fällt gleich wieder ins Auge: Bei derart opulent inszenierten Kulissen und Spezialeffekten sehen Menschen, die sich darum balgen, wer der Chef vom Ganzen sein darf, immer repräsentabel aus. Sieht man mal von den Frisuren ab. Westeros, da bist du ja wieder! Und hast noch mehr Drachen mitgebracht.

Es geht wieder um die Erblinie

Aber der Punkt, der die Handlung abermalig in Gang setzt, muss demütig stimmen, ewige Wiederkehr des Immergleichen und so. Es ist doch sehr, sehr wenig Variation im Thema Mensch unter Menschen. Wieder geht es einzig darum, wer die Erblinie fortschreiben, also am Kopfende des Tisches sitzen und die Ansagen machen darf. König Viserys (Paddy Considine) hat keinen Sohn, aber sein Blut soll die Macht behalten. Wer wird sein Nachfolger? Will man das Casting der Widersacher spannend haben, geht es nur über Kontraste.

Unbedingt verachtenswert zunächst einmal: Viserys’ Bruder Daemon (Matt Smith), ein Mann mit Tendenz zur Gewalt. Das ist Plot-mäßig natürlich eine ehrenhafte Aufgabe: den Mann darzustellen, der am überzeugtesten sein Schwert aus der Scheide zieht. Nur so ist die Voraussetzung für gehaltvolles Schlachten in den zehn Folgen dieser ersten Staffel und den nachfolgenden Staffeln gegeben.

Daemon entgegen steht Viserys’ Tochter Rhaenyra (Emma D’Arcy). Im patriarchalisch geprägten Westeros wäre ihre Thronbesteigung das ungewohnte, revolutionäre Prinzip. Klingt viel sympathischer. Aber auch sie, das ahnt man im Hinblick auf die Gerüchte, die im Hinblick auf diese neue Serie im Umlauf sind, wird ihre Rolle spielen müssen in dem im Grunde so einfach gestrickten Konflikt – viel Sex, noch mehr Gewalt wird versprochen, Liebe und Hass, all das, was die Leute vor den Fernseher fesselt. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass der US-Sender HBO, der auch „House of the Dragon“ produziert, mit dieser Neuauflage des Fantasy-Spektakels baden geht. In der ersten Folge gibt es ein abgehacktes Genital, einen abgetrennten Kopf und zermantschte Ritter zu sehen. Und den Beweis, dass die Männer der Targaryens auch in früheren Zeiten eine lächerliche arrangierte Haarpracht trugen. Ästhetisch brutal, das eine wie das andere.

„House of the Dragons“: Die Storyline ist sowieso klar

Bei allen Bemühungen, die in der Vorgängerserien etablierten Gütesiegel (etwa der ununterbrochen dramatisch wabernden Soundtrack) erneut zum Einsatz zu bringen, ist noch wenig über das Personal gesagt. Bis sich aus dem unvergleichliche Charaktere und Fan-Lieblinge herausschälen, wird „House of the Dragon“ das typische Schicksal beschieden sein, eben doch nur als Abklatsch zu gelten, als „More of the same“ in einer farbenprächtig herausgeputzten Version, gravitätisch vorgetragene Prophezeiungen inklusive: „„Das einzige, was das House of the Dragons zu Fall bringen konnte, war dieses selbst“, heißt es im Prolog. Aber die Storyline ist ja, siehe „Game of Thrones“, eh klar.

Von Serienentwickler Miguel Sapochnik ist eine sehr grundsätzliche Zusammenfassung der Handlung überliefert: „Die beste Freundin der Prinzessin wird die neue Frau des Königs und damit Königin. Das ist schon kompliziert: Wenn deine beste Freundin deinen Vater heiratet. Es sind die kleinsten Dinge, aus denen sich der gigantische Kampf zweier Seiten entwickelt.“ Der von der jetzt gerade veröffentlichten ersten Folge wenig überraschend bestätigte Umstand, wie prall die Umsetzung solch dürrer Vorgänge in einer TV-Serie sein können, ist die Voraussetzung für jegliche Überwältigung durch Entertainment.

„House of the Dragons“: Jeden Montag eine neue Folge, abrufabr auf Sky Atlantic und WOW