Hamburg. In der neuen Stage-Produktion „& Julia“ spielt Chiara Fuhrmann in Hamburg ab Oktober die Hauptrolle. Eine Begegnung in New York.

Es qualmt und raucht aus den Gullis, ein Muff aus erhitztem Teer und Abgasen kriecht durch die Nase. Überall blinkt und quiekt es. Ein gemütlicher Spaziergang durch die Stadt? Fehlanzeige.

Und dennoch: Wen die inspirierende Atmosphäre dieser kapitalistischen Zauberstadt nicht mindestens fasziniert – dem ist wohl nicht zu helfen. Wie sang zuletzt Taylor Swift so treffend: „Welcome to New York“. Die Stadt, deren Mieten selbst Besserverdienende zum Weinen bringen (schon vorgekommen: 3000 Euro für ein WG-Zimmer!), und die vermeintlich niemals schlummert (stimmt nicht, manche Bars machen enttäuschend früh zu). Und natürlich: Die Stadt, in der alle – der Lehre aus „Sex and The City“ folgend – die Chance haben, die große Liebe zu finden.

Musical Hamburg: Chiara Fuhrmann wohnt seit 2014 in Hamburg

Chiara Fuhrmann schwebt selbstsicher durch die Straßen des Big Apple, in ihrem weißen Kleid, geschmückt mit unzähligen, silbernen Perlen. Ihr Auftreten lässt nicht vermuten, dass sie zum ersten Mal in der Metropole ist. Wie selbstverständlich fügt sie sich ein in das quirlige Treiben, dem Glanz der Stadt ist sie gewachsen. Dabei ist der Ort, aus dem sie stammt, weit entfernt, und – ohne jemandem zu nahe treten zu wollen – sehr viel weniger glamourös: Fuhrmann kommt aus Osnabrück.

„Zuhause“, das ist für Chiara Fuhrmann jedoch seit 2014 Hamburg. Die heute 29-Jährige ist damals für ihre Ausbildung als Musical-Darstellerin an der Joop van den Ende Academy in die Hansestadt gezogen. Die Schule ist seit 2016 geschlossen – doch für Fuhrmann haben sich seitdem viele Türen geöffnet.

Gestartet hat sie ihre Karriere im Ensemble des „Bodyguard“-Musicals in Stuttgart. Auch dem Hamburger Publikum ist sie bereits bekannt: In „Hamilton“ tauchte sie als Angelica Schuyler, Eliza Schuyler und Peggy Schuyler/Maria Reynolds auf der Bühne auf. Bis Ende September ist sie alternierend als Prinzessin Anna in „Die Eiskönigin“ zu sehen. In New York aber ist sie aus einem anderen Grund.

Chiara Fuhrmann wird die Hauptrolle im Musical „& Julia“ spielen

„Ich werde DIE Rolle spielen, es ist eine Erstbesetzung – das ist schon echt total verrückt“, freut sich Chiara Fuhrmann. Nach einem kurzen Spaziergang, vorbei an vielen Imbissläden, die große Pizzastücke zu erschwinglichem Preis verkaufen, geht es in der 44sten Straße in Midtown in den vierten Stock über dem Sardi‘s Restaurant. Pragmatische Einrichtung, blumiger Teppichboden, mehr Ruhe zum Reden.

Fuhrmann wird die Hauptrolle im Musical „& Julia“ spielen, das im Oktober „Tanz der Vampire“ im Operettenhaus auf der Reeperbahn ablöst. Fünf Jahre zuvor wurde die Show im Londoner Westend uraufgeführt, seit Ende 2022 läuft sie auch am Broadway – und wurde dort für neun Tony Awards nominiert. Das Musical war bereits in England, Kanada, Australien, Singapur und in den USA zu sehen, in Deutschland wird es ab Herbst erstmals in einer nicht englischsprachigen Version gezeigt. Mit Chiara Fuhrmann in der Titelrolle.

Die Handlung des Musicals vermischt Shakespeares „Romeo und Julia“ mit zahlreichen modernen Pop-Songs, allesamt geschrieben vom schwedischen Musikproduzenten Max Martin. Die Vorstellungen am Broadway sind nach wie vor gut besucht. Der Plot beginnt da, wo die berühmteste Liebestragödie der Welt aufhört und stellt die Frage: Was wäre eigentlich, wenn Julia sich nicht umgebracht – und somit eine zweite Chance auf eine neue Liebe gehabt hätte?

„& Julia“ vermischt bekannte Popsongs mit Shakespeares Liebesgeschichte

Im New Yorker Stephen Sondheim Theatre hat Fuhrmann das Stück am Abend zuvor zum ersten Mal live gesehen. „Ich liebe den Party-Vibe des Musicals, es macht einfach unglaublich gute Laune“, schwärmt sie noch immer. Das äußerlich unscheinbare Theater war ausverkauft, 1055 Musical-Fans aus allen Altersgruppen, viele ziemlich herausgeputzt. Fuhrmann saß mittig, hatte einen guten Blick auf das Geschehen auf der Bühne – und vor allem auf die Rolle der Julia, die sie schon bald selbst verkörpern wird.

Chiara Fuhrmann (29) in New York, kurz bevor sie das Musical „& Juliet“ zum ersten Mal live sieht. Ab Oktober wird sie selbst die Hauptrolle in Hamburg spielen.
Chiara Fuhrmann (29) in New York, kurz bevor sie das Musical „& Juliet“ zum ersten Mal live sieht. Ab Oktober wird sie selbst die Hauptrolle in Hamburg spielen. © Stage Entertainment | Morris Mac Matzen

Die Show selbst ist wie eine mit Bedacht gewählte Menükreation, in der süß und scharf und herzhaft gut miteinander harmonieren: Eine leicht verdaubare Handlung, knackige Witze, würzige Charaktere, Kostüme zum Anbeißen. Die musikalischen Leckerbissen wecken Erinnerungen. Bei Songs wie „Roar“ von Katy Perry, „Confident“ von Demi Lovato oder „Everybody“ von den Backstreet Boys singt und wippt man fast automatisch mit.

Chiara Furhmann ging es auch so. In der Pause hat Fuhrmann die im Foyer zu kaufenden Merchandise-Artikel betrachtet, Showandenken für jede Lebenslage: Mützen, Shotgläser, Sticker. Ob das üblicherweise etwas verhaltenere deutsche Publikum auch so gelöst sein wird wie das amerikanische? Man wünscht es der Wahlhamburgerin.

Es war immer der Traum von Fuhrmann, Musical-Darstellerin zu werden

„Ich finde es so toll, dass alle so mitgehen und tanzen“, erzählt Chiara Fuhrmann am nächsten Tag im Blumenteppich-Raum. Bei der gesanglichen Kostprobe, die sie dort abliefert, ist es nur schwer vorstellbar, dass die Herzen des deutschen Publikums unberührt bleiben: Sie singt „Baby One More Time“ von Britney Spears mit einer emotionalen Intensität und einer Tiefe, die man dem Song gar nicht zugetraut hätte. Im Anschluss erzählt sie, dass sie schon früh Musicaldarstellerin werden wollte. Mit sechs Jahren habe sie „König der Löwen“ in Hamburg besucht – und seitdem sei es um sie geschehen gewesen. Ihre Eltern hätten sie von Anfang an unterstützt. Als Chiara Fuhrmann erfuhr, dass sie die Hauptrolle der Julia spielen sollte, rief sie als Erstes ihre Mutter an.

„Bis mein Theaterleiter den kompletten Satz ausgesprochen hat, habe ich nicht geglaubt, dass es im Bereich des Möglichen lag“, sagt Fuhrmann. „Und dann bin ich komplett ausgerastet.“ Wie „komplett ausrasten“ bei ihr aussieht, behält Chiara Fuhrmann für sich: Die Künstlerin wirkt stets gefasst und souverän – nicht distanziert, keinesfalls arrogant, sondern in sich ruhend, manchmal sogar fast schüchtern hinter ihrem strahlenden Lächeln. Eine „Feiermaus“, das sei sie nicht – statt in lauten Clubs verbringe sie ihre Abende lieber in ruhigeren Bars, zum Beispiel in der Schanze.

Riesige Werbung für Fuhrmann mitten in Manhattan

Es hat ihn jedoch gegeben, diesen einen Moment in der Acht-Millionen-Stadt, der Chiara Fuhrmann aus der Fassung gebracht und sie zu Tränen gerührt hat. Drei Stunden, bevor sie „& Juliet“ am Broadway sehen sollte, stand sie in Manhattan auf einer wild befahrenen Kreuzung, etwa fünf Minuten vom Times Square entfernt, als auf einmal ihr Name auf vier der riesigen Bildschirme auftauchte: „Welcome our German Julia to NYC“.

Völlig aufgelöst starrte Chiara Fuhrmann auf die Billboards und ließ sich von mitreisenden, deutschen Mitarbeiterinnen der Stage Entertainment umarmen, die für sie in der kurzen Zeit zu spürbar mehr als nur Arbeitskolleginnen geworden sind.

Chiara Fuhrmann in New York: „Es ist alles total unreal“

Auch am Tag danach kann sie es immer noch nicht fassen: „Es ist alles total unreal.“ Sie ist Erstbesetzung in einer Show, die erstmals nach Deutschland kommt, jettet für wenige Tage nach New York, hechtet von Termin zu Termin, trifft sich Backstage mit der amerikanischen Cast am Broadway, ist umgeben von Journalistinnen und Influencern, die mit ihr Interviews führen und TikToks drehen.

Hamburger Musical-Star auf dem Broadway

weitere Videos

    Zum Frühstück gibt es typisch-amerikanische, fluffige Pancakes mit Erdbeeren und Bananen, vom Blumenteppich-Raum geht es direkt weiter zum Flughafen, der nächste Promo-Termin in Deutschland wartet. Work-Life-Balance? Gerade nicht. Doch sie bereut es nicht, ihr Hobby zum Beruf gemacht zu haben: „Es ist eine Zeit, die ich nie vergessen werde. Ich versuche jede Sekunde aufzusaugen.“

    Fuhrmann ist gerne an und auf der Hamburger Alster unterwegs

    Trotzdem hat Fuhrmann eine Strategie gefunden, um von all dem Trubel um sie herum abschalten zu können: Sie singt. „Manchmal sperre ich mich selbst in einen Raum ein und singe irgendwas aus verschiedenen Musicals“, verrät sie. Dabei fühle sie sich zu Hause. Und wenn mal freie Zeit übrig ist, verbringe sie die gerne auf dem Wasser, zum Beispiel auf einem Stand-up-Paddle-Board oder im Kanu unterwegs auf den Alster-Kanälen.

    Mehr zum Thema

    Chiara Fuhrmann freut sich schon jetzt sehr auf die Reaktionen des Publikums, wenn sie das erste Mal als Julia auf der Bühne stehen wird: wenn Menschen bei den Witzen lachen oder wenn an anderen Stellen Tränen fließen. Denn auch wenn das Musical voller Konfetti und guter Laune ist – es gibt durchaus ruhige, berührende Momente. Die Botschaft der Show, so Fuhrmann, sei zu zeigen, wie wichtig Selbstliebe ist. Auch und besonders in schwierigen Zeiten.

    Musical Hamburg: Fuhrmann hat gelernt, auf ihr Talent zu vertrauen

    Davon kann (und wird) sie selbst ein Lied singen: Auch in ihrem Job gehören Zweifel dazu. „Aber über die Jahre habe ich gelernt, auf mein Talent zu vertrauen,“ sagt Chiara Fuhrmann. Eine selbstbewusste Frau, die ihren Weg geht und die den Mut hat, sich verletzlich zu zeigen. Und die ihre große Liebe im Leben schon gefunden hat: Dafür braucht sie weder Romeo noch New York – sondern nur sich selbst.

    Ticketsfür Previews ab dem 22.10. und alle weiteren Vorstellungen unter stage-entertainment.de
    Die Reise nach New York wurde unterstützt von Stage Entertainment.