Hamburg. Klassiker für die Ewigkeit oder aus der Zeit gefallen? Das Musical feierte bei der Wiederkehr nach Hamburg Premiere im Operettenhaus.

„Langeweile auf Dauer, ein trostloser Kreislauf, kein Anfang, kein Schluss. Denn stets wiederholt sich dasselbe von vorne. Immer nur diese beschissene Ewigkeit“: Die bissigsten Kritiker des Musicals „Tanz der Vampire“ sind die Vampire selber im Stück „Ewigkeit“. Sie haben genug davon, ein gammeliges Dasein zwischen Gruft und Ballsaal zu fristen. Aber es hilft nichts. Zum dritten Mal müssen Graf von Krolock, sein Sohn Herbert und sein Gesinde in der Hansestadt auf die Bühne. Nach den Aufführungen 2003 bis 2006 in der Neuen Flora und 2017 im Stage Theater an der Elbe ist der „Tanz der Vampire“ jetzt bis zum 14. September 2024 im Operettenhaus zu erleben.

Dort liefen vor der Premiere am Sonntag noch das Biografie-Musical „Tina“ sowie „Hamilton“, zwei progressive, moderne Musicals mit mitreißendem Soundtrack, Haltung und historischem Hintergrund. „Tanz der Vampire“ ist dagegen je nach Sichtweise ein ewiger Klassiker oder ein schon ziemlich streng riechender Musical-Zombie, der das Aufkommen des popkulturellen Vampirbooms („Die Twilight Saga“, „Buffy“, „True Blood“) der Nullerjahre seit der Uraufführung 1997 in Wien perfekt mitnahm, aber mittlerweile aus der Zeit gefallen ist.

„Tanz der Vampire“Zwei Akte mit 40 Szenen werden durchgesungen

Musical-Touristen müssen sich jedenfalls auf zweieinhalb herausfordernde Stunden einstellen, wenn sie bislang eher die großen Hamburger Disney-Produktionen wie „Der König der Löwen“ und„Die Eiskönigin“ gewohnt sind. „Tanz der Vampire“ ist weit mehr Oper als Operette: Es werden in zweieinhalb Stunden vielleicht drei, vier Sätze gesprochen, ansonsten werden die zwei Akte mit knapp 40 Szenen komplett durchgesungen. Das kann einen so mürbe machen, dass man sich einen Holzpflock ins Ohr rammen möchte. Aber das muss wohl so sein: Die internationalisierte Broadway-Version von 2002 mit mehr Dialog und weniger Gesang, mehr Komik und weniger Grusel war einer der größten Flops in der Musical-Geschichte.

Im ersten Akt kommt das Musical nach wie vor schwer in Fahrt. Der Königsberger Forscher Professor Abronsius (Till Jochheim) und sein schüchterner Assistent Alfred (Vincent Van Gorp) finden auf der Suche nach Vampiren in Transsilvanien Zuflucht in einem Gasthaus, in dem sich Alfred in die Wirtstochter Sarah (Kristin Backes) verliebt. Allerdings hat auch Graf von Krolock (Rob Fowler), eher nachtaktiver Hausherr des nahen Schlosses, seine blutunterlaufenen Augen auf Sarah geworfen. Mit wem wird Sarah „Totale Finsternis“ singen, jenes Stück, das „Tanz der Vampire“-Komponist Jim Steinman in den 80ern vergeblich Meat Loaf anbot, was dann mit Bonnie Tyler zum Welthit „Total Ecplise Of The Heart“ wurde?

„Tanz der Vampire“: Heute würde man ein Musical wohl anders inszenieren

Zwei Typen streiten sich auf Leben und (Un)Tod um eine hilflose damsel in distress, um die verfolgte Unschuld Sarah, die hin und her gezerrt wird, durch die Luft geworfen, entblößt. Heute würde man ein Musical wohl anders inszenieren als Jim Steinman und Michael Kunze bei der Uraufführung 1997 in Wien. Einen noch schaleren Beigeschmack bekommt das theatralische Gestalke, wenn einem bewusst wird, dass Roman Polański, Regisseur der Filmvorlage 1967 und auch Mitschöpfer des Musicals, seit Jahrzehnten mit Anklagen und Vorwürfen des Missbrauchs von Minderjährigen konfrontiert ist. Im Dezember 2024 feiert übrigens „MJ – Das Michael Jackson Musical“ Hamburg-Premiere.

Prominenter Premierenbesuch: Rob Fowler als Graf von Krolock und Kristin Backes als Sarah mit Mirja und Sky du Mont.  Die du Monts haben sich zwar vor Jahren getrennt,  teilen aber gemeinsame Erinnerungen: 2000 traten sie bei „Tanz der Vampire“ in Stuttgart das erste Mal gemeinsam öffentlich auf.
Prominenter Premierenbesuch: Rob Fowler als Graf von Krolock und Kristin Backes als Sarah mit Mirja und Sky du Mont. Die du Monts haben sich zwar vor Jahren getrennt, teilen aber gemeinsame Erinnerungen: 2000 traten sie bei „Tanz der Vampire“ in Stuttgart das erste Mal gemeinsam öffentlich auf. © Stage Entertainment | Stage Entertainment

Aber zurück nach Transsilvanien. Zugegebenermaßen bringt die zweite Hälfte des Stücks nach dem lahmen Auftakt das Blut in Wallung und sorgt auch 26 Jahre nach der Uraufführung für echte Gänsehautmomente. Das düstere Bühnenbild, die Kostüme, aber vor allem die so simplen wie einfallsreichen Kniffe der Make-up-Abteilung sind wirklich sehenswert, vor allem Jonas Steppe als Gay Romeo Herbert. Das Ensemble hängt sich bis in die Hintergrundrollen richtig rein, Rob Fowler überzeugt absolut als dunkler Fürst und Till Jochheim gelingt die undankbare Aufgabe, als fahriger Professor den ganzen Saal zu nerven.

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Und dann ist da noch das Meisterwerk „Ewigkeit“. Dieses Lied nebst Choreografie ist für nicht wenige Musicalfans statt „Totale Finsternis“ der eigentliche Höhepunkt, der eigentliche „Tanz der Vampire“. Wie sich Blutsaugerinnen und Blutsauger aus ihren Särgen schieben und wie von besessenen Puppenspielern gesteuert zuckend und taumelnd auf den Weg zum Ballsaal machen („Raus aus dem Grauen ins Glitzern der Welt“), ist allein das Eintrittsgeld wert. Auf dem Weg zum Operettenhaus ist sicher ein Döner oder Knoblauchbrot nicht verkehrt.

„Tanz der Vampire“ bis 14.9.2024, Stage Operettenhaus (U St. Pauli), Spielbudenplatz 1, Karten ab 78,99 unter www.stage-entertainment.de