Hamburg. Grenzwertig starke Performance: Die US-Elektroband Future Islands faszinierte und verstörte bei ihrem Auftritt in der Großen Freiheit.

Vielleicht beschreibt man den Auftritt der US-Elektroband Future Islands am Sonntag in der Großen Freiheit am besten, indem man sich anschaut, wie sich Sänger Samuel T. Herring auf der Bühne bewegt. Er hüpft, er tänzelt, er lässt das Becken kreisen, halb sexy, halb ironisch. Aber plötzlich rast er von links nach rechts, weit ausgebreitete Arme, raumgreifend, jetzt möchte man ihm nicht im Weg stehen, er würde einen umrennen. Und bald verändert sich sein Tanz noch einmal, mehrfach schlägt er sich gegen den Hinterkopf, das ist dann nicht mehr freundlich, da sucht sich überschäumende Energie ein Ventil, und dieses Ventil hat auch etwas mit Verzweiflung zu tun, mit Selbstverletzung, mit Schmerz. Innerhalb eines einzigen Songs.

Herrings Tanzstil entspricht seiner Art zu singen. Im Grunde hat der 40-Jährige eine originelle Soulstimme, er kann croonen, er kann säuseln. Aber immer wieder kippt sein Gesang, dann verschluckt er Silben, dann wird die Stimme zum Grunzen, zum Keuchen, irgendwann bellt er nur noch einzelne Silben in den einschmeichelnden Synthiepop seiner Band. Das ist kein Konzert, das ist ein Kampf mit Dämonen, und man ist live beim Kampf dabei.

Große Freiheit: Das war kein Konzert, das war ein Kampf mit Dämonen

Nein, einfach macht es einem diese Band nicht, mit der Performance ihres Sängers, die gleichzeitig fasziniert und verstört. Wobei dabei fast ein wenig untergeht, wie ausgefeilt die Songs des jüngsten Albums „People Who Aren’t There Anymore“ sind: kurze Epen zwischen Indie, Alternative und Dreampop, die hier im sparsamen, glasklar abgemischten Sound durch die Halle schweben. William Cashon (Bass), Michael Lowry (Schlagzeug) und Gerrit Welmers (Elektronik) lassen Herring viel Raum, bleiben meist im Halbdunkel und reproduzieren den Klang des Tonträgers passgenau – ohne Gitarre, selbst das Schweinerocksolo bei „The Sickness“ wird von Cashon mit schwer verzerrtem Bass imitiert.

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Nur einmal, bei „Shadows“, nimmt sich der Sänger zurück und holt Yasmin Kuymizakis aka Joon als Gastsängerin auf die Bühne. Die maltesische Musikerin ging zuvor als Opening Act ein wenig unter, beim Frühkonzert musste sie noch vor 19 Uhr in der halb leeren Halle spielen, und dass sie hier noch einmal einen Auftritt bekommt, beweist eben auch: Herring mag ein schwieriger Charakter sein, sein Auftritt mag verstören. Aber er weiß, was sich gehört.