Hamburg. Die künftige Thalia-Intendantin Sonja Anders holt einen international bestens vernetzten Theatermacher und „absoluten Profi“ nach Hamburg.
Wird sie wohl die erfolgreichen Lessingtage beibehalten? Oder sich etwas ganz Neues überlegen? Ein eigenes Festival, eine frische Duftmarke? Das waren schon auch Fragen, die man sich nach der Berufung von Sonja Anders zur nächsten Intendantin des Thalia Theaters in Hamburg stellte. Seit 2010 kümmert sich das internationale und dennoch immer klug mit der Stadt verschränkte Theaterfestival, erfunden vom 2025 scheidenden Intendanten Joachim Lux, um nicht weniger als „Um alles in der Welt“: hochkarätige Gastspiele, Künstlerinnen und Künstler, „die aus einer Perspektive der Veränderbarkeit auf die Welt blicken“, Eröffnungsreden von kritischen Stimmen wie Luisa Neubauer (2024), Can Dündar (2018), Richard Sennett (2015) oder Liao Yiwu (2013).
Jetzt steht fest: Die Lessingtage wird es nicht nur weiter geben, Sonja Anders präsentiert sogar einen eigenen künstlerischen Leiter, den man auf dieser Position nicht erwartet hatte.
Thalia Theater Hamburg: Matthias Lilienthal wird Leiter der Lessingtage 2026
Matthias Lilienthal, Jahrgang 1959 und bis 2020 dort nicht geliebter Intendant an den Münchner Kammerspielen, wird 2026 die Leitung der Lessingtage übernehmen. „Mit Matthias Lilienthal begrüßen wir einen absoluten Profi in unserem Team“, erklärte Sonja Anders, „ich hätte mir niemand Geeigneteren vorstellen können. Matthias hat ein feines Gespür für relevante Themen, ist bestens vernetzt in der internationalen Theaterszene und ein Entdecker spannender, neuer Formate, die wir nach Hamburg holen möchten.“
Auch die zukünftige Chefdramaturgin des Thalia Theaters, Nora Khuon, freut sich auf die Zusammenarbeit: „Wir werden gemeinsam mit Matthias das Festival für Hamburg neu entwickeln, wir möchten dabei lokaler und kollaborativer denken und zugleich die internationale Ausrichtung der Lessingtage fortführen.“
- Thalia Theater: Die Pläne der künftigen Oberspielleiterin Anne Lenk
- Thalia-Theater: Drei Schauspielstars verlassen Hamburger Bühne
- Zu wenig Frauen? Aufruf zum Boykott des Hamburger Thalia Theaters
Den Hamburg-Move von Matthias Lilienthal kann man trotz oder vielmehr wegen seiner unbestreitbaren Eignung verblüffend finden – eher hatte man ihn nach dem plötzlichen Tod des Theatermachers René Pollesch demnächst mindestens als Interimsintendanten der Berliner Volksbühne vermutet, wo er bis 1998 als Chefdramaturg unter Frank Castorf wirkte. 2002 sowie 2014 war Lilienthal Programmdirektor des im Zwei-Jahres-Turnus stattfindenden Festivals „Theater der Welt“, 2003 bis 2012 leitete er das HAU in Berlin, das mehrfach vom Fachmagazin „Theater heute“ zum Theater des Jahres gewählt wurde. 2004 übernahm er gemeinsam mit der heutigen Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard und Philipp Oswalt im entkernten Palast der Republik in Berlin das Bespielungsprojekt „Volkspalast“.
Auf Kampnagel, wo es bis heute Gemeinsamkeiten im Profil gibt, dürfte man künftig noch genauer auf die Lessingtage schauen. Ein freundlich-spöttischer Kommentar, der auf die (Über-)Qualifikation anspielt, kam bereits von András Siebold, Leiter des Internationalen Sommerfestivals auf Kampnagel: „Er kann ja noch reinwachsen!“