Hamburg. Hamburger Musiker gibt Heimspiele auf seiner „Übers Träumen“-Tour. Emotionales Auftanken mit allerdings deutlicher politischer Ansage.
Die Nacht vor dem Konzert habe er nicht richtig schlafen können, gesteht Aki Bosse nach den ersten paar Liedern in der Sporthalle Hamburg: „Das Ding is‘ bums ausverkauft!“ Guck an, das ist also doch noch aufregend für einen, der in den vergangenen Monaten auch die Elbphilharmonie gefüllt hat, und die Große Freiheit und übrigens auch die noch größere Barclays Arena.
Dass ihm jetzt der Auftakt von zwei aufeinanderfolgenden Konzertabenden in der Sporthalle an diesem Wochenende besonders am Herzen liegen soll, glaubt man dem Künstler, der da von Beginn an aufgekratzt über die Bühne flippt, trotzdem sofort: Weil er, der gebürtige Braunschweiger, nämlich selbst seit Jahren in Hamburg lebt und weil seine ganze Familie an diesem Abend da ist, seine Geschwister, sein bester Freund.
Und weil Bosse in einer nicht besonders charismatischen Halle mit noch ungefähr 7000 weiteren Fans eine Intimität herzustellen weiß, eine Unverfälschtheit, Freundlichkeit und Geradlinigkeit, die sich eben nicht nach Show anfühlt (obwohl er tatsächlich eine richtige gute Show abliefert), sondern so, als gehöre das textsichere Publikum selbst irgendwie zum Kreis der erweiterten Familie.
Bosse in der Sporthalle: Emotionales Auftanken „für alle, die am Hoffen sind“
Bosses Charme besteht aus seiner vollkommen unprätentiösen Offenheit, daraus, dass er wie ein Teil der Menge wirkt, für die er spielt. Auffallend viele Paare sind da, manche Frauen mit Glitzer auf den Wangen, andere mit Haarkränzen aus kleinen bunten Glühlämpchen, ansonsten ein fast schon offensiv durchschnittliches Ü30-, wahrscheinlich eher Ü40-Publikum, wenn man die vielen mitgebrachten Kinder nicht mitzählt.
Lauter Menschen, die sich in seinen Songs wiederfinden, auch und gerade den melancholischen. Die durchaus das eine oder andere Tal durchschritten haben dürften und gelegentlich trotzdem gern daran glauben wollen, wenn da einer schon im ersten Song verspricht: „Was Gutes wird passier′n/Und wenn‘s gut ist, bleibt′s bei dir/Jede Liebe wird irgendwann ans Licht kommen.“ Könnte doch sein!
Ein Wohlfühlabend also, der gleichwohl nicht im Flauschigen steckenbleiben will. Mit „Das Paradies“ liefert Bosse schon früh und übrigens unter großem Jubel seine politische Verortung: Die AfD sei „eine Scheißpartei“, dem „Hass“ setze er lieber eine eigene Utopie entgegen, jenes titelgebende Paradies, zu dem die Bühne dann in hoffnungsgrünes Licht getaucht wird: „Es gab dort genug für alle/ Und alle waren sich genug/ Keine Depressionen und kein Selbstbetrug/ Niemand musste dort im Mittelmeer ersaufen/ Niemand schlief im Winter auf Asphalt (...) Genial, weil einfach niemand ein Arschloch war.“
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Zu „Ein Traum“ gibt es Chorverstärkung durch die „superkrasstollen Hansemädchen“, bei „3 Millionen“ fegt Bosse singender Weise mitten durchs Parkett, seine zu Herzen gehende Sonnenaufgangshymne „Royales Morgenblau“ vom neuen Album „Übers Träumen“ (2023) widmet er Pflegerinnen und Pflegern, Busfahrern, der Stadtreinigung. Ihnen und allen anderen gönnt er darin eine der apartesten Zeilen des Abends: „Für alle, die am Hoffen sind, gibt der Horizont ein‘n aus.“
Ein Konzert zum emotionalen Auftanken ist das. Das vielleicht Bemerkenswerteste an diesem Abend: Bosse kommt bei alldem ohne jeglichen Zynismus aus. Er schafft „ernst gemeinten, weil ehrlich gefühlten Kitsch“, wie es er selbst einmal eingeordnet hat, und schenkt seinem Publikum bis zum ausgelassenen Finale (na klar: „Der letzte Tanz“) Energie, Überschwang und überhaupt, ganz unironisch: „Die schönste Zeit“.