Hamburg. Konzert des Pop-Entertainers in Hamburg war ein fantastisches Spektakel für die ganze Familie. Da war selbst Revolverheld nur Vorgruppe.
Als Mark Forster 2014 mit dem Rückenwind seines ersten Hits „Au Revoir“ zu seinem Auftritt auf dem Stadtfest in Bochum fuhr, passten Band und Gerät laut seiner Erzählung noch in einen Sprinter. Zehn Jahre später parken am Mittwoch 14 Trucks hinter der Barclays Arena. „Wir sind groß“ wird er singen, umzüngelt von meterhohen Pyroflammen, während hinter der Bühne bereits tonnenweise Schnipsel in die Konfettikanonen für „Chöre“ gestopft werden. Gute Güte, was passiert hier? Inszeniert Forster hier seinen eigenen Eurovision Song Contest, den seine Frau Lena Meyer-Landrut 2010 gewann?
Was beim Betreten der nicht ganz ausverkauften, aber mit 10.000 Fans sehr gut gefüllten Barclays Arena zuerst auffällt, sind die vielen, vielen Kinder im Publikum. Forsters jahrelange Teilnahme als Coach in der TV-Show „The Voice Kids“ und Lieder für „Die Sendung mit der Maus“ und „DuckTales“, aber auch seine Hits für Ältere wie „Stimme“ oder „Übermorgen“ haben eine sehr breit aufgestellte Zielgruppe erreicht: Bunte Familien-Pop-Unterhaltung, Samstagabend-Show in Konzertform, so präsentiert sich Forster auch auf seiner aktuellen Tournee.
Jan Delays Band heißt Disko No. 1, Mark Forsters Disko No. 2
Schon die Bühne wirkt aus der Publikumsperspektive wie die Kontrollbildschirmwand in einem Regieraum: Auf einer oberen Ebene sehen die Fans ein Late-Night-Show-Studio mit Moderationstisch und daneben eine Clubbühne, auf der sich Forsters Band Disko No. 2 (Disko No. 1 spielt für Jan Delay) drängelt. Eine Showtreppe führt zur unteren Ebene mit Theaterbühne und Backstagebereich. Auf den Seitenbildschirmen laufen nostalgische 80er-Jahre-Werbefilme von Bärenmarke, Yogurette, Nutella und Wrigley’s Spearmint, ergänzt durch Produkthinweise für Forsters Fanartikelstand.
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Während Techniker und Kabelträger noch die letzten Aufbauten prüfen, spielt eine schüchterne lokale Newcomerband namens Revolverheld in dem Gewusel: Johannes Strate und Kristoffer Hünecke stellen die Songs „Lass uns gehen“ und „Das kann uns keiner nehmen“ vor. Haben durchaus Potenzial, die Jungs. Noch eine letzte Applausprobe mit den Fans, und die mitgefilmte Show von Mark Forster beginnt direkt mit Pyros und einem Doppelgänger, der für „194 Länder“ (195 eigentlich mittlerweile) die Showtreppe hinabstiefelt: Ein Verweis auf die seit Jahren omnipräsente Veralberung, dass jeder zweite Burgerbrater oder Kaffeeröster in Berlin-Mitte aussieht wie Mark Forster: Hipster-Brille, Baseball-Kappe, Bart.
Mark Forster: Licht, Videos, Konfetti, Luftschlangen. Ein geordnetes Chaos
Nachdem der Wahlberliner aus der Pfalz sein Double verscheucht hat, kann es richtig losgehen. Forster singt nicht nur „Perfekt“, perfekt, sondern auch „Auf dem Weg“ und „Einmal“. Für das rockige „Flash mich“, das einige Akkorde bei „Bulls On Parade“ von Rage Against The Machine ausleiht, stiefelt er nach oben zur Band und schnallt sich den E-Bass um, während unter ihm ein Plüschkrokodil die T-Shirt-Kanone abfeuert. Dazu: Licht, Videos, Konfetti, Luftschlangen. Ein geordnetes Chaos, welches den Saal schnell auf Touren bringt. Mitsingen, Jubeln, Kreischen, Klatschen, Armwedeln bei Jung und Alt. Das macht richtig Spaß hier.
Nach dem ersten Drittel der 20 Lieder umfassenden Setliste drücken Forster und Band ein wenig auf die Bremse, mit „Drei Uhr nachts“, „Kogong“, „747“, „März“ und „Au Revoir“. Nicht wenige der ganz jungen Fans lassen sich erschöpft auf den Hallenboden sacken oder auf Papas Schultern oder Arme heben. Aber ein kleiner Zuckerschub aus dem Apfelschorle-Becher oder der im Foyer mit Weingummi für 12 Euro gefüllten Naschitüte, und schon ist die Kraft zurück, um die Handy-LED minutenlang zur Untermalung von „Bist du okay“ zu schwenken.
Mark Forster: Es knallt und funkt in der Arena, bis der Strom ausfällt
Ein Videovorhang senkt sich, und Disko No. 2 hat Pause beim ... Discoteil mit „Schwarzer Toyota“, das er mit Ski Aggu und Skrt Cobain aufnahm, und einem Medley mit „Farben leuchten schwarz“, „Stimme“ und „Genug“. Auf der Bühne wird es jetzt richtig wild, mit gleich drei Doppelgängern, noch mehr Luftschlangen und einem Flammenwerfer, mit dem Forster die Bühne in Brand setzt. Zu viel für die Technik, mit einem Knall und Funken fällt der Strom aus. Alles nur Show, aber eben gute Show. Der Jubel ist ohrenbetäubend: „Willkommen zurück“, denn „Wir sind groß“. Alles steht. Kopf. „Ich glaube, meine Haare fangen gleich an zu brennen“, sagt eine Zehnjährige, als die Hitze der Pyroflammen bis hinter das Mischpult spürbar ist.
Welche Macht Mark Forster tatsächlich entfachen kann, zeigt sich dann bei „Chöre“. Die Albumversion klingt wie die meisten von seinen Liedern gefällig, eingängig, aber auch lächerlich dünn im Vergleich zum Erlebnis in der Barclays Arena, wenn 10.000 Stimmen im Konfettihagel den Refrain mitbrüllen. Spektakulär beschreibt es nur unzureichend. Glänzende Kinderaugen, tanzende Paare, in ihre Alsterwasserbecher seufzende Papis, die ihre Leber noch für den Vatertag schonen. Noch eine Zugabe, und „Bauch und Kopf“ brummen und klingeln nach 100 Minuten Komplettbedienung. Ein toller Abend.