Hamburg. Musikfest Hamburg: Bariton Matthias Goerne und das NDR Elbphilharmonie Orchester mit Werken von Adams, Bach und Strauss.
Ein behutsames Anklingen schwebender Streicher-Flächen eröffnet den Blick auf ein Schlachtfeld. Diese Musik will das Menschenmmögliche versuchen: trösten, Schmerzen lindern, Hoffnungslosigkeit vergessen machen. John Adams hat 1988 mit seiner Vertonung von Walt Whitmans Herzenszeugenbericht „The Wound-Dresser“ ein epochenübergreifendes Mahnmal gegen die Schrecken des Amerikanischen Bürgerkriegs geschaffen.
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Der Ich-Erzähler beschreibt darin, was er sieht, hört, riecht. Die Todesangst. Den Tod. Während eine Bühne weiter zeitgleich der Bass Günther Groissböck in einem kleineren Format Lieder über den Krieg, das Sterben und die Vergänglichkeit vortrug, stand der Bariton Matthias Goerne im Großen Saal vor dem NDR Elbphilharmonie Orchester; es ist Musikfest, es geht dabei thematisch um „Krieg und Frieden“. Hier wie dort harter Stoff. Wichtiger Stoff.
Goerne war für dieses Meisterwerk kein idealer, aber ein interessanter Interpret. Seine Stimme ist in der Tiefe zu satt orgelnd und wohlklingend und gab der hier eminent wichtigen Textverständlichkeit kaum Chancen. Doch in der Höhe brachte sie eine Helligkeit, die wie Schlaglichter auf die fassungslosen Worte Whitmans traf. Und das Orchester grundierte stets einfühlsam.
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Thematisch klug dazugestellt folgte die Bach-Kantate „Ich habe genug“. Kleiner besetzt, gerade deswegen hätte es bei aller Bewunderung für diesen Komponisten trotz der vertonten Sanftheit und seligen Genügsamkeit beim Nachdenken übers Jenseits gern etwas mehr Klarheit und Schärfe im Klangbild geben dürfen. Goerne gelang das Umdenken ins Barock, er schaltete in seinen Arien (schön begleitet von Oboe bzw. Englischhorn) einen Gang zurück; sowohl das Ensemble als auch ihr Dirigent Stanislav Kochanovsky fremdelten mit der vom NDR-Orchester nicht allzu oft praktizierten Notwendigkeit, solche Musik historisch aufgeklärt zu erläutern.
Mikko Franck hatte als Präsentator dieses Programms kurzfristig abgesagt, als Ersatz in der Not war Kochanovsky, neuer Chefdirigent der NDR Radiophilharmonie Hannover, eingesprungen. Anstatt mit Strauss‘ „Tod und Verklärung“ den Abend metaphysisch passgenau abzurunden, wich er auf dessen deutlich diesseitigere „Rosenkavalier“-Suite aus. Wiener Walzerpracht statt letzter Dinge, immer wieder eine Freude, eigentlich. Nur leider in dieser Version – selbst nach Abzug der Last-Minute-Problematik und der womöglich ungewohnten Saal-Akustik – deutlich zu unelegant abgeliefert, allzu sehr auf Effekt und Lautstärke hin dirigiert.
Das Konzert wird am 12.5., 11 Uhr in der Elbphilharmonie wiederholt und live von NDR Kultur übertragen. Evtl. Restkarten.