Hamburg. Musik verbindet ganz konkret: Geistliche Gesänge spüren im Kleinen Saal den gemeinsamen Wurzeln von Islam, Judentum und Christentum nach.

Man könnte ihr stundenlang zuhören: der libanesischen Sängerin Fadia Tomb El-Hage, wie sie die Sufi-Lieder mit ihrer warmen Stimme belebt. Ganz klar zeichnet sie die Linien der Musik, die kunstvollen Verzierungen und Schlenker. Zusammen mit Françoise Atlan und Patrizia Bovi taucht sie den Kleinen Saal der Elbphilharmonie in eine mystische Atmosphäre.

Die drei interpretieren Stücke aus verschiedenen Jahrhunderten und Traditionen, von einem korsischen Stabat Mater bis zu sephardischen Hohelied-Vertonungen. Sie singen solistisch und manchmal auch im Terzett, begleitet von Peppe Frana an der Laute und dem Schlagwerker Gabriele Miracle. Die Musik ist sehr fein, sie berührt mit ihren zarten Melodien. Das klingt zauberhaft. Es ist fast schon egal, worum es in den Liedern geht.

Geistliche Gesänge in der Elbphilharmonie: Die Botschaft bleibt vage

Könnte man denken. Aber genau das ist das Manko des Abends, der seine Aussage ein bisschen verschenkt. Das Programm vereint geistliche Lieder aus der muslimischen, der jüdischen und der christlichen Tradition. Es spürt den gemeinsamen Wurzeln der drei Weltreligionen nach und zeigt, dass sie die Liebe zu Gott oft in ähnlichen Worten und Melodien besingen. Dass sie also viel mehr verbindet als trennt. Das ist, nicht nur in Anbetracht der Kämpfe in Nahost, eine zentrale Botschaft beim Internationalen Musikfest zum Thema „Krieg und Frieden“.

Aber diese Botschaft bleibt vage. Weil die Sängerinnen kein Wort über den Inhalt der Stücke verlieren und die Texte auch nicht im Programmheft abgedruckt sind. Das macht es schwer, gedanklich anzudocken. Etwa im aramäischen „Abo Dkochto“ oder dem Stück „Sawmo“ aus der syrisch-orthodoxen Tradition. Wunderbare, berückende Lieder – nur, wovon mögen sie wohl erzählen?

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Die Sprachbarriere schafft eine gewisse Distanz, trotz eines sehr aufnahmewilligen und hoch konzentrierten Publikums. Aber es gehört zu den Stärken von Musik, dass sie so eine Distanz auch überwinden kann. Das gelingt umso öfter, je länger das Konzert in der Elbphilharmonie dauert.

Etwa im hinreißenden Stück „Tahia Bikoum“: einer Improvisation im Stil von Granada, bei der sich die Stimmen der jüdischen, der muslimischen und der christlichen Sängerinnen umranken und verflechten. Mit vielen Reibungen und Dissonanzen, die aber nie die gemeinsame Basis infrage stellen.