Hamburg. Mehr als drei Dutzend Beteiligte, mehr als drei Stunden Konzert: Musik, Gedichte und bewegende Grußworte gegen Hass und Antisemitismus.

Ein Kammermusikkonzert mit mehr als drei Dutzend beteiligten Instrumentalisten, Rezitatoren, einem Moderator und gleich vier Grußwort-Videos ist sowohl für das eher sparsam besetzte Genre als auch für die veranstaltende Hamburgische Vereinigung von Freunden der Kammermusik ziemlich ungewöhnlich.

Der NDR-Redakteur und Vorsitzende der Hamburgischen Vereinigung von Freunden der Kammermusik, Ludwig Hartmann, hatte am Donnerstag zu einem Solidaritätskonzert mit dem Titel „Für den Zusammenhalt – gegen das Schweigen“ in die Laeiszhalle eingeladen und bei einer stattlichen Reihe exklusiver Solistinnen und Solisten um Teilnahme gebeten. Nicht einer von ihnen hatte abgesagt. Für Hartmann und seine prominenten Gäste sei es eine Kopf-, aber noch weit mehr eine Herzenssache gewesen, sich gegen den aufkeimenden Antisemitismus in unserer Gesellschaft auch mit der Stimme der Künstler aufzulehnen. „Es kann nicht sein, dass die Verfolgten immer für sich selbst in die Bresche springen müssen“, sagte der durchs Programm führende Hartmann in seiner Begrüßung.

„Gegen das Schweigen“: Mehr als drei Konzertstunden wurden es am Ende

Die Mehrheit der teilnehmenden Künstler war nicht jüdisch, sie wollte aber ein Programm zusammenstellen, das ein Zeichen setzt und auch Werken jüdischer Komponistinnen und Komponisten Raum gewährt, die die Musikgeschichte nachhaltig geprägt haben. Dazu gehört allen voran auch Felix Mendelssohn Bartholdy, von dem der Klarinettist David Orlowsky und die Pianistin Laura Skride zu Beginn das Andante aus der Klarinettensonate Es-Dur spielten.

Auch Mieczyslaw Weinberg, dessen Familie von den Nazis verfolgt und der selbst von Stalin in eines seiner gefürchteten Gefängnisse gesperrt worden war, war Jude. Von ihm spielten die Geigerin Franziska Hölscher und die Pianistin Lauma Skride drei Sätze aus dessen Violinsonate Nr. 4 op. 39. Viele Musiker, die sich im Vorwege bereits für ein bestimmtes Werk entschieden hatten, baten noch kurz vor ihrem Auftritt darum, weitere Stücke ergänzen zu dürfen, mehr als drei Konzertstunden wurden es am Ende.

Maria Hartmann und Gustav Peter Wöhler rezitierten Gedichte von Rose Ausländer

Der Trompeter Simon Höfele zum Beispiel stellte das bewegende Wiegenlied der in Auschwitz ermordeten Komponistin Ilse Weber dem zeitgenössischen Stück „Shining forth“ von Matthias Pintscher gegenüber, in dem er mit Klappengeräuschen und tonlosem Hauchen das Klangspektrum seines gestopften Instruments erheblich erweiterte. In verteilten Rollen rezitierten die Schauspielkollegen Maria Hartmann und Gustav Peter Wöhler sieben Gedichte von Rose Ausländer.

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Die auf der Krim geborene Saxophonistin Asya Fateyeva und ihr Mann Stefan Simonian spielten zwei Sätze einer Sonate von William Albright, in der der klagende Gesang des Saxophons und das nachfolgende energische Auflehnen klangen wie ein musikalischer Kommentar zur Videobotschaft des Kultursenators Carsten Brosda. „Wir sind aufgefordert, gegen Anfeindungen aufzustehen“, sagte Brosda. „Ich danke allen, die an diesem Abend hörbar Zeichen dafür setzen.“

Sogar die 98-jährige Cellistin und Auschwitz-Überlebende Anita Lasker-Wallfisch sowie der FDP-Politiker Gerhart Baum sandten Botschaften. „Man erschrickt, wenn man sieht, was alles unsere Grundordnung bedroht“, sagte Baum. „Wir haben allen Anlass, die zu unterstützen, die neuem Hass ausgesetzt sind.“