Hamburg. Die Titularorganistin spielt ein romantisches französisches Programm. Es dauert ein bisschen, aber dann nimmt das Konzert Fahrt auf.
Ein Orgelkonzert in der Elbphilharmonie ist eine ganzheitliche Erfahrung. Die Ränge im Großen Saal liegen im Halbdunkeln. Die Deckenfluter richten sich nur auf den Spieltisch in der Bühnenmitte. Und weit hinten, hinter den durchbrochenen Wandstrukturen, schimmern die Orgelpfeifen im weichen Licht wie lebende Wesen. Iveta Apkalna hat zu ihrem Recital ein französisch-romantisches Programm mitgebracht: ausladende, farbige Musik, die die Orgel in all ihren Möglichkeiten präsentieren kann.
Wohl keine Kollegin und kein Kollege kennt das Instrument so genau wie Apkalna, ihres Zeichens Titularorganistin des Hauses. Doch an diesem Abend muss sie es sich erst erobern. Die Wellenbewegungen im „Prélude“ aus den „Trois Pièces“ von Gabriel Pierné nuscheln, die Ablösung zwischen den Händen wirkt unorganisch. Besonders Apkalnas Legato, also der nahtlose Übergang von einem Ton zum nächsten, stockt gelegentlich.
Iveta Apkalna in der Elbphilharmonie: Es dauert etwas, bis das Orgel-Recital Fahrt aufnimmt
Trotzdem ist die klangliche Vielfalt beeindruckend. Apkalna führt eine wahre Choreografie auf, mit Händen und Füßen drückt sie Knöpfe und Tasten, um die Registerkombinationen zu wählen, die sie vorher einprogrammiert hat – bei einer mechanischen Orgel bräuchte sie dafür vermutlich nicht einen, sondern zwei Registranten.
Zwischen den Stücken rutscht sie nur kurz von der Orgelbank und verbeugt sich knapp, statt mit großer Geste auf- und abzutreten. Jede ihrer Bewegungen ist gemessen. Das alles erzeugt eine Atmosphäre von großer Konzentration und Ruhe, die sich auf das Publikum überträgt. Man kann die Intensität des Zuhörens fast mit Händen greifen.
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Beim Spielen bedient Apkalna nicht nur vier Manuale in immer neuen Kombinationen von Timbres und Tonlagen, sondern auch noch die Pedale. Die Werke sind gewissermaßen aufsteigend gewählt. Immer weiter fächert Apkalna das klangliche und dynamische Spektrum der Orgel auf. Der „Choral“ zu Beginn der „Suite gothique“ von Léon Boëllmann entführt die Anwesenden gleichsam in eine der großen französischen Kathedralen, der innige dritte Satz „Prière à Notre-Dame“ trägt das Gebet sogar im Titel.
Iveta Apkalna lässt das Brustbein mitschwingen
Mit der „Toccata“ ist Apkalna plötzlich in ihrer Kraft. Teuflisch brodeln die Läufe im Pedal. Wenn die Füße den Saal mit dem kellertiefen Klang der dicksten und längsten Pfeifen fluten, schwingt manchmal das eigene Brustbein mit.
Teuflisch sind auch die virtuosen Anforderungen der weiteren Stücke. Auf die „Pièce héroïque“ von Saint-Saëns folgen nach der Pause drei Bearbeitungen von Klavierwerken von Franz Liszt. Bei den wüsten Läufen, Oktavgängen mit eingebauten Trillern und vollgriffigen Akkorden ist Apkalna so recht in ihrem Element. Doch der Tastenlöwe Liszt ist nicht zu haben ohne seine tiefgläubige Seite. Und so tröstet über alles Getümmel ein zarter Engelsgesang.
Klang, Virtuosität und Transzendenz. Was für eine Mischung.