Hamburg. Im Finale der „Pianomania“-Konzertreihe über Liszts h-Moll-Sonate beeindruckte Pianist Lukas Geniušas mit seiner Programmentscheidung.

Ein klassischer Pianist hat sich an seinem Arbeitsplatz zu benehmen und nur ja nichts zu tun, außer brav klassisch zu pianieren? Dem US-Amerikaner Frederic Rzewski brauchte man mit solchen Vorschriften nicht zu kommen. In „De profundis“, 1992 als eine weitere seiner vielen zornigen Anklagen gegen Gesellschaftszwänge geschrieben, ist der Solo-Part durch Pfeifen, Grummeln, Singen, Schlagen auf diverse Körperteile zu ergänzen, vor allem aber durch das Rezitieren aus Oscar Wildes berühmten Brief an seinen Ex-Liebhaber, in dem Wilde über Moral, Gefängnis, Leiden und Verzweiflung sinnierte.

Elbphilharmonie: Ein mutiger Klavierabend, der interesssant verstörte

Mit diesem ebenso grenzniederreißenden wie hinreißenden Einzel-Stück endete die vierteilige „Pianomania“-Reihe rund um Liszts monumental überbordende h-Moll-Sonate im Kleinen Saal der Elbphilharmonie mit einem Ausrufezeichen. Mit dem energischen Schluss-Plädoyer dafür, sich durch nichts und niemandem beschränken zu lassen. Schade nur, dass die vier Klavierabende über ein halbes Jahr verteilt wurden und so die gute Absicht verwässerte.

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Lukas Geniušas, in letzter Zeit vor allem als Klavierbegleiter der Sopranistin Asmik Grigorian bekannt, demonstrierte mit dieser Programmentscheidung, dass er das „out of the box“-Denken und -Spielen auch solo brillant beherrscht. Das Anfangsgefühl, einer Improvisation beim Reifen zuzuhören, gab sich schnell; der intensive Sog des zu umspielenden Textes zog auch diejenigen im Saal in den Bann, die eher nicht geahnt hatten, einem Pianisten auch beim Abklopfen seines Instruments zusehen zu wollen. Die leise Verstörung, die dieser Rzewski-Solitär hinterließ, veränderte auch die Perspektive auf die erste der beiden Zugaben, einen kleinen, leicht konfus fabulierenden Schubert-Walzer. Derart viel Ausstrahlungsmacht haben nicht viele Stücke.

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Vor der Pause lief es mit der Liszt-Sonate zunächst nicht ganz so rundum überwältigend für Geniušas. Es brauchte seine Zeit, um immer freier schwebend in der strukturellen Gestaltung, immer feiner in der Klangnuancierung zu werden. Immer mehr Fantasie zu wagen und sich mehr und mehr von dem Etikett „Sonate“ zu lösen. Dann aber wurde es packend und aufregend.

CD: Asmik Grigorian / Lukas Geniušas: „Rachmaninoff: Dissonance“ (alpha, CD ca. 14 Euro)