Hamburg. Wilder Mix: Xatar trat mit „TV total“-Band Heavytones auf – und das auch noch im renommierten Konzerthaus. Das zündete nicht bei allen.
Alles in allem etwas jünger und ein bisschen häufiger in Jogginghose gekleidet als sonst sind die Besucherinnen und Besucher der Elbphilharmonie am Sonnabend. Stark unterscheidet sich das Publikum aber nicht von den Zuschauern, die sich an den meisten anderen Tagen im Großen Saal einfinden.
Gänzlich aus der Reihe fällt hingegen das, was an jenem Abend auf der Bühne des renommierten Konzerthauses passiert. Schließlich ist Goldräuber und Gangster-Rapper Xatar, der Baba aller Babas, dessen Autobiografie Fatih Akin vor gar nicht allzu langer Zeit verfilmt hat, angereist. Jazzig begleitet von den Heavytones – genau, die von „TV total“ –, bereitet er seinen Anhängern „Das letzte Mahl“. Tatsächlich hatte mancher Besucher den Rapper nach seiner rund zweistündigen Show ziemlich satt.
Xatar in der Elbphilharmonie: „Scheiß-Sound!“, sagt ein Zuschauer
Der Elbphilharmonie-Abend beginnt klassisch. Xatar (kurdisch für „Gefahr“) sitzt am Flügel. Der Rapper, der mit bürgerlichem Namen Giware Hajabi heißt, erlernte als Sohn eines iranischen Musikprofessors und Komponisten bereits mit neun Jahren das Klavierspiel. Lange währt die romantische Einlage aber nicht, dann ist Xatar Gangster-Rapper wie eh und je: mit harten Texten, deftigen Punchlines und reichlich Attitüde. „Volk“ nennt er seine 2000 Anhänger in den Rängen und dem Parkett.
Viele von ihnen sind offenbar das erste Mal in der Elbphilharmonie zu Gast. Vor Konzertbeginn ist überall Gestaune und Geraune über die Architektur und Bauhistorie des Hauses zu vernehmen. Auch Katja und Holger aus Bielefeld besuchen die Elbphilharmonie erstmals, erzählen sie. Sie sind extra für das Xatar-Konzert angereist, da sie unbedingt einmal das Konzerthaus besuchen wollten und klassische Musik ihnen eher nicht zusagt. Noch vor Ende der Show werden sie den Saal verlassen. „Scheiß-Sound!“, begründet Holger dann knapp.
Xatar in der Elbphilharmonie Hamburg: Immer wieder Zwischenrufe
Denn obwohl Xatar einige seiner größten Hits wie „Iz da“, „Schweigen ist Gold“ oder „Mama war der Mann im Haus“ performt und den Rap-Kollegen Samy als Überraschungsgast auf die Bühne holt, nimmt die zu Konzertbeginn überschwängliche Stimmung vieler Besucher stetig ab. Immer wieder gibt es Zwischenrufe: „Du bist zu leise!“ oder „Ich verstehe kein Wort!“ oder „Scheiß-Sound hier!“ Dass das mal jemand durch die Elbphilharmonie brüllt, ist kaum auszudenken.
Es stimmt auch nicht, jedenfalls nicht in der Drastik. Doch tatsächlich kommt Xatar, der übrigens nicht nur auf Gangster tut, sondern für einen Raubüberfall auf einen Goldtransporter mehrere Jahre im Gefängnis saß, insbesondere in seinen härteren Songs nur schwerlich zur Geltung. Zu laut die Begleitung der Heavytones, die mit Schlagzeuger, Percussionist, Keyboarder, E-Gitarre und -Bass sowie drei Bläsern ganz schöne Funk-Fanfaren hinlegt.
Zwar macht es den Eindruck, als schätze das Publikum die Soli, die die Instrumentalisten immer wieder anbringen. Allerdings sind viele Zuschauer explizit für Xatar da – und können ihr Idol kaum rappen hören. Für die weiteren Konzerte der gemeinsamen „Das letzte Mahl“-Tour sollte der Rapper erwägen, die Heavytones in der Light-Version anzufordern.
Elbphilharmonie: Xatar tritt mit „TV total“-Band in Hamburg auf
Retten kann auch ein weiterer Überraschungsgast, Rapper Kalim aus Hamburg, die Chose kaum. Das sonnenbebrillte Trio Xatar, Samy, Kalim wirkt ziemlich unkoordiniert. Auch eine Mitmachnummer wenig später regt kaum jemanden im Publikum dazu an, die gewünschten Lines an der richtigen Stelle zu rufen.
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Doch Fans sind Fans und können verzeihen. Nach Konzertende fordern Xatars Anhänger selbstverständlich trotz allem lautstark eine Zugabe. Und bekommen sie sogar in einer Extralang-Version. Der Rapper selbst wirkt recht zufrieden mit seiner Show und dankt der Elbphilharmonie vielfach dafür, „dass sie solche Eier hat, so was zu machen“.
Nach diesem Abend lässt sich vielleicht feststellen: Nicht jede ungewöhnliche Idee zündet auch. Das Wagnis deshalb nicht einzugehen, ist aber auch keine Option.