Hamburg. Der Sänger feiert sein 50. Bühnenjubliäum in der Elbphilharmonie und begeistert mit seinem Quartett und einem Jazzprogramm.

  • Das Thomas Quasthoff Quartett ist in der Elbphilharmonie mit einem Mix aus Jazz und Klassik aufgetreten.
  • Die Performance war virtuos, kraftvoll... und mit einer Performance, die an Kermit den Frosch erinnert, gespickt.

Das Wichtigste in der Musik sind die Pausen, heißt es. Warum, darüber ließen sich ganze Bibliotheken füllen. Wer in der Elbphilharmonie dem Schlagzeuger Wolfgang Haffner dabei zuhört, wie er ganz sachte den Besen aufs Becken senkt, bekommt aber schon mal eine Ahnung. Wie weit kann Haffner die Seifenblase aus lustvoll-banger Erwartung des kommenden Tons ausdehnen, ohne dass sie platzt?

Natürlich hat er es im kleinen Finger, wann er das nächste Mal über das Messing streichelt. Das ist der Moment, in dem er unnachahmlich diskret den Groove in den Song „Stardust“ einführt. Hoagy Carmichaels Jazz-Evergreen erklingt an diesem Abend in einer Luxusvariante. Das Thomas Quasthoff Quartett ist in Hamburg zu Gast, der Sänger feiert sein 50. Bühnenjubiläum mit einer Tournee. Vom klassischen Gesang hat er sich schon vor Jahren verabschiedet, aber er macht dem ausverkauften Saal seine Stimmkunst zum Geschenk, vom „Hades der Stimme“ – O-Ton des gut gelaunten Bandchefs und Conférenciers – bis zum Falsett.

Elbphilharmonie: Klassik? Jazz? Für Thomas Quasthoff nur Etiketten

Klassik? Jazz? Das sind doch nur Etiketten. Es geht unter die Haut, das Miteinander der vier Ausnahmemusiker zu erleben. Die freischweifende Einleitung zu „Stardust“ ist Ohrenkino der ganz opulenten Sorte: Haffner wirbelt schäfchenwolkenweich auf dem Becken, der junge Simon Oslender am Synthesizer bringt in fein abgetöntem Celesta-Sound ein paar Sterne zum Funkeln. Da braucht Quasthoff seine Stimme nur hineinfallen zu lassen. Er erzählt und sinniert, nimmt sich Zeit und springt zwischendurch ohne erkennbare Mühe mal eben in den stimmlichen Keller und zurück. Körnig und sehr körperlich klingt es da.

50 Jahre Bühne, das bedeutet für Quasthoff auch: 50 Jahre Erfolg und Anerkennung – und eine Öffentlichkeit, die jederzeit wahrnimmt, mit wie viel Willen und Disziplin er seine unglaubliche Karriere seiner Contergan-Behinderung abgerungen hat. Von der zunehmenden Anstrengung spricht er auf der Bühne nicht, sondern spielt darauf an, etwa, wenn er mit seiner Körpergröße kokettiert. Es ist anrührend, zu erleben, wie selbstverständlich seine Kollegen damit umgehen.

Klassische Musiker können sich bei den Jazzern einiges abgucken

Die große Vertrautheit zeigt sich aber natürlich nicht nur beim Umarmen, Verbeugen, Auf- und Abtreten, sondern vor allem im Musizieren. Eines können sich klassische Musiker und Musikerinnen von den Jazzern tatsächlich abgucken oder besser ablauschen, und das ist die Kunst des Augenblicks. Fraglos, lässig, selbstverständlich ist ihr gemeinsamer Puls, und die Soli schöpfen sie aus dem Moment, Volten inbegriffen.

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Simon Oslender spielt nicht nur am Synthesizer, sondern auch am Klavier ebenso virtuos wie fantasievoll. Bei den Kontrabass-Soli von Dieter Ilg bleibt dem Publikum schier die Luft weg, so klangvoll und geistreich zupft sich Ilg kreuz und quer über das Griffbrett. Und Quasthoff krönt das Programm mit einer Solonummer, in der er lacht, hickst, kichert, säuselt, ächzt, mal wie ein Didgeridoo klingt und mal wie Kermit der Frosch.

Aber da hat er den Saal sowieso längst erobert. Standing Ovations, „Guten Abend, gute Nacht“ als Edel-Zugabe und ein rundum glückliches Publikum.