Hamburg. Christiane Karg und das Aris Quartett bringen Schumann, Mendelssohn, Brahms und Reimann zu Gehör und musizieren wie aus einem Guss.

Ein Liederabend besteht traditionell aus einer Sängerin oder einem Sänger, einem Menschen am Klavier und einem Blumenbouquet im Bühnenhintergrund. Man kann die Form aber auch anders denken, wie es die Hamburgische Vereinigung von Freunden der Kammermusik gerade tut. Im Kleinen Saal der Elbphilharmonie haben die SopranistinChristiane Karg und das Aris Quartett den Anfang gemacht und das Lied mit Kammermusik verbunden.

Elbphilharmonie: Schumanns tastende Klänge wirkten zart wie ein Aquarell

Auf dem Programm standen Werke von Schumann, Mendelssohn und Brahms. Der innere Zusammenhang aber verdankte sich dem Komponisten Aribert Reimann, der vor wenigen Wochen gestorben ist. Reimann hat zahlreiche Klavierlieder für Streichquartett bearbeitet. Und dabei nicht einfach die Töne auf die Streichinstrumente verteilt, sondern deren Möglichkeiten genutzt, um ein höheres Drittes zu erschaffen.

Den Anfang machten die „Sechs Gesänge“ von Schumann. Ein kurzes Aufblühen der Geige, dann wiederholte sich die Figur in der höheren Lage, bevor die Singstimme sie aufnahm: Schon diese wenigen Takte sogen das Publikum förmlich ein in die Atmosphäre des Lieds „Herzeleid“. Die „Sechs Gesänge“ sind ein Spätwerk Schumanns aus einer psychisch zunehmend instabilen Lebensphase. Das Tastende, das Nichtmehrvertrauenkönnen hat Reimann in zitternd-zarte, aquarellähnliche Klangfarben gefasst. „Die Fensterscheibe“ verursachte Gänsehaut mit dem gläsernen Schaben der Streicher. Und wie die vier die Töne in Schumann’scher Manier mit leichter Verzögerung zu Akkorden schichteten, das konnten sie nur wagen, weil sie sich im Zusammenspiel traumwandlerisch aufeinander verlassen konnten.

Kargs Timbre verschmolz mit dem der Streichinstrumente

Die beiden Geigerinnen und der Bratschist spielten im Stehen, der Cellist saß auf einem Podest. Christiane Karg stand in der Mitte und machte damit deutlich, dass sie sich als Teil des Ensembles begriff. Die Abstimmung zu fünft ist natürlich etwas anderes als mit einem Klavier. Hier atmete ein Organismus aus fünf Individuen und verströmte dabei eine Energie, die den ganzen Saal erfasste.

Karg war auch an diesem Abend wieder als Interpretin eine Kategorie für sich. Endlose Linien formte sie, als bräuchte sie nie Luft zu holen. Ihr elegant fließendes Timbre verschmolz mit dem der Streichinstrumente, und sogar in der tiefen Lage trug ihre Stimme mühelos. Jede Phrase erfüllte sie mit Sinn, haarfein zusammengefühlt mit dem Aris Quartett. Als Karg mit den sordinierten Geigen am Schluss der „Ophelia-Lieder“ von Brahms „Ins Himmelreich“ führte, da hielt der Saal den Atem an.

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Die „Acht Lieder und ein Fragment“ von Mendelssohn nach Heine-Gedichten hat Reimann nicht nur bearbeitet, sondern dazwischen instrumentale Intermezzi komponiert. Auf kleinstem Raum führte er darin Motive aus dem vorgehenden Lied fort, nahm andere vorweg und versah sie mit seiner eigenen zeitgenössischen Handschrift. Und als „richtiges“ Quartett hatten die Musiker Mendelssohns op. 12 in Es-Dur aufs Programm gesetzt und spielten das jugendliche Werk mit dramatischem Schwung und durchhörbarem Klang.

Nicht eine Note hätten man missen wollen bei diesem Konzert.