Hamburg. Philippe Herreweghe und das Collegium Vocale Gent gastierten am Gründonnerstag mit Bach im Großen Saal. Die Solisten waren stark.

Fast drei Stunden, zwei Orchester, zwei Chöre, ein Extra-Sopran-Chor, acht Solisten für die Arien und noch mal drei Solisten für die Hauptpartien! Passions-Oratorien gab es zwar schon vor Johann Sebastian Bach, aber kein so monumentales wie die Matthäus-Passion von 1727. Seit 1829, als Mendelssohn die Wiederaufführung realisierte, wurde die Passion zu einem Klassiker, heute ist sie mehr Konzertereignis als Kirchenmusik. So kann ein Bach-Spezialist wie der Belgier Philippe Herreweghe mit seinem Ensemble Collegium Vocale Gent und einem exquisiten Solisten-Ensemble damit auf Tournee gehen, Brüssel, München, Innsbruck, am Gründonnerstag war Station in der Elbphilharmonie.

Die doppelchörige Anlage der Komposition war auch auf dem Podium sichtbar. Die beiden Orchester und Chöre rechts und links, der „Sopran-Chor“ in der Mitte hinter dem gesamten Ensemble. Die acht Solisten sangen in den Chören mit, nur die prägenden Rollen, der Evangelist und Jesus, nicht.

Bach in der Elbphilharmonie: etwas nüchtern, aber technisch exzellent

Es sei doch, als ob man in einer Opéra comédie wäre – darüber beschwerte sich 1729 eine Adlige. Dramatik war damals in der Kirche nicht gern gesehen. Aber genau das ist das Packende an der Matthäus-Passion. Damit haperte es in der Elbphilharmonie ein wenig. Herreweghe ist jahrzehntelang erfahrener Bach-Interpret, er kennt die Passion aus dem Effeff. Er sorgte zwar für einen guten Fluss, ließ die Wechsel von Rezitativen, Chören, Arien zügig ineinander übergehen. Aber Dramatik, Herzblut? Nur punktuell.

Wenn das Volk außer Rand und Band gerät, wenn es dafür plädiert, den Mörder Barrabas und nicht Jesus freizulassen und dann zweimal seinen fanatischen „Kreuzige“-Chor singt, kam das reichlich distanziert herüber. Dabei hat der aus sehr guten Solistenstimmen bestehende Collegium Vocale-Chor einen wunderbar ausgewogenen Klang. Nur könnte man sich manchmal eine deutlichere Aussprache vorstellen.

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Die Solisten-Partien waren im Ganzen hervorragend besetzt! Der Tenor Julian Prégardien als Evangelist gestaltete die dramatische Partie mit vielen Farbnuancen, nur wenn es besonders dramatisch wurde, forcierte er ein wenig. Exzellent auch der Bassbariton Florian Boesch als Jesus mit seinem warmen und facettenreichen Timbre. Dass er manches vielleicht zu pathetisch anging, ist auch Geschmacksache. Faszinierend war der Countertenor Hugh Cutting für die Alt-Arien, nachhaltigen Eindruck hinterließ auch Bariton Konstantin Krimmel. Fazit: interpretatorisch eine gelegentlich etwas nüchterne Angelegenheit, aber technisch exzellente Qualität.