Hamburg. Das „Reflektor“-Festival von André Heller brachte eine legendäre Inszenierung des Theaterstücks „Meisterklasse“ aus Wien nach Hamburg.

„Eine Diva wird man nicht ungestraft“, erkannte die Wiener Schauspielerin Andrea Eckert beim Nachdenken über diese ihre Lebens-Theaterrolle. „Eine richtige Diva hat immer Grund, Diva zu sein. Aufgrund dessen, was es sie kostet. Aufgrund dessen, was sie gibt, was sie herschenkt. Sich selber nämlich.“ Grausam, aber: nun mal wahr.

Seit mehr als einem Vierteljahrhundert verkörpert und nähert Eckert sich inzwischen der einzigartigen Maria Callas, so wie Terrence McNally sie in seinem Theater-Klassiker „Meisterklasse“ aus dem allerhärtesten Primadonnen-Marmor herausmeißelte. Am Wiener Volkstheater ist Arie Zingers Inszenierung ein Ewigkeitswert geworden, André Heller hat sie (die 200. Vorstellung sogar) für sein „Reflektor“-Festival in die Elbphilharmonie exportiert.

Andrea Eckert als Maria Callas: „Sie war ebenbürtig“

Schon deswegen eine passende Idee, weil ein sensationelles Foto der Callas – Laeiszhalle, 1962, volles Diven-Ornat – alle ankommenden Künstlerinnen und Künstler direkt hinter dem Künstlereingang der Elbphilharmonie einnordet und warnt, wie hoch gerade in diesem Konzerthaus die zu überwältigende Latte hängt. Und es gilt für das Ein-Frauen-Ereignis Andrea Eckert, was Herbert von Karajan über seine Arbeit mit „La Divina“ so anerkennend wie von sehr weit oben herab zugestand: „Sie war ebenbürtig.“

Ein Flügel mitsamt devot zuarbeitendem Korrepetitor, zwei Paravents für Auf- und Abgänge, ein hoher Stuhl („Wo ist mein Fußschemel!?“), ein Strauß Rosen, ein Glas Wasser und die Rückwand des Saals als Projektionsfläche für originaltönende Erinnerungen – mehr Bühne braucht es nicht für diesen Zweistünder.

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Das Filettieren der Meisterklassen-Teilnehmer bekommt dieses Callas-Double mit wenigen, meist abschätzenden Blicken und waffenscheinpflichtigen Oneliner-Anordnungen dort bestens freihändig hin. Und ohnehin trägt und treibt das Charisma Eckerts das gesamte Stück, sobald sie aus den Zuschauerreihen ins Rampenlicht einschwebt wie diese überlebenssensible Diven-Erscheinung namens Callas, die sie war.

Maria Callas in der Elbphilharmonie: „Diese Stimme, das bin ich“

Pablo Cameselle als untertänigst singender Tenor Anthony Candolino zu Füßen von Maria Callas (Andrea Eckert).
Pablo Cameselle als untertänigst singender Tenor Anthony Candolino zu Füßen von Maria Callas (Andrea Eckert). © Daniel Dittus | Daniel Dittus

Die erste aufstrebende Sopranistin (Claudia Emà Camie) möchte Bellinis Schlafwandelnde singen und schafft es im ersten Auftritts-Anlauf, was eh klar war, nicht mal bis zum ersten Ton. Eine andere (Teresa Gardner) will Verdis Lady Macbeth wagen und wird, zum Warmwerden ihrer sehnigen Schleiferin im kleinen Schwarzen, sehr flott von der Bühne vergrätzt. Und auch der natürlich seidenbeschalte Tenor (Pablo Cameselle) wird vor den gespannt Zuhörenden komplett rundgemacht und in jammernde Einzelteile zerlegt, bevor er es mit Puccinis Cavaradossi aufnehmen und sich doch noch beweisen darf.

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Oft ist das auf den ersten Anblick sehr lustig, noch öfter ist es auch schmerzhaft wahr, was diese Bühnen-Callas über ihre Berufung sagt und wie frontal sie es ihrem zunächst eingeschüchtert vorsingenden Kindergarten als Vorsorgemaßnahme einbläut: „Jede Vorstellung ist ein Kampf“ – mit sich, seinen Ängsten, seinen Hoffnungen, für die Kunst, womöglich aber auch noch mit dem Publikum (der von seinem hohen C abgestürzte und bösartig ausgebuhte „Trovatore“-Tenor in der Staatsopern-Premierenvorstellung kann gerade davon leider ein Lied singen).

Andrea Eckert geht ganz und gar in dieser Rolle auf.
Andrea Eckert geht ganz und gar in dieser Rolle auf. © Daniel Dittus | Daniel Dittus

Doch sie alle, sosehr sie sich auch verbessern mögen, sind nur Statisterie für die Auftritte, in denen diese Callas sich stolz und verzweifelt einsam an überlebte Höhepunkte ihrer Karriere erinnert. Der Saal verdunkelt sich, aus den Lautsprechern kommt die wahre, wirkliche, zeitlos ergreifende Stimme der Callas, und es wird Zeit für ehrfürchtige Gänsehaut. Weil Eckert in dieser Musik aufgeht und ihre Botschafterin wieder lebendig werden lässt. Und dann ist es, so ist es mit Musik nun mal: vorbei.

Weitere Informationen zum „Reflektor“-Festival: www.elbphilharmonie.de