Hamburg. Die Premiere von Verdis Meisterk an der Hamburgischen Staatsoper ließ einige entscheidende Wünsche an Sänger und Regie weit offen.

Ja nun ... Einer dieser Premierenabende, an denen man zunächst kein Glück hat, und dann kommt an entscheidenden Stellen auch noch Künstlerpech dazu. Nach wie vor kommt man nicht an Enrico Carusos Expertenmeinung vorbei, Verdis „Il trovatore“ sei ganz einfach zu besetzen – man bräuchte dafür nur die vier besten Stimmen der Welt. Bei der Premiere an der Staatsoper wäre man am Ende dieser an so vielen Stellschrauben problematischen Neuproduktion schon froh gewesen, wenigstens eine voll und ganz umwerfende Stimme erlebt zu haben. Weltklasse war jedenfalls Welten entfernt.

Und dazu wäre auch ein Dirigent schön gewesen, der die Partitur vorangetrieben und so sehr zum Brennen und Glühen gebracht hätte, wie es auf der Bühne als Special Effect aus der Hauruckabteilung überreichlich zu sehen war. Giampaolo Bisanti, der vor einem Jahr bei der Neuproduktion von Puccinis „Il trittico“ angenehmer und temperamentversierter in Erinnerung geblieben war, beließ es hier aber bei einem eher pragmatischen Umgang mit Verdis Extremen. Die Philharmoniker verbrauchten einiges an Spielzeit, um Verdi nicht bloß sachdienlich aufgewärmt klingen zu lassen.

Staatsoper-Premiere: Dieser „Trovatore“ kam einem doch sehr spanisch vor

Es fehlte außerdem ein Chor, der in seinen großen Szenen nicht hin und wieder deutlich bei der Abstimmung mit dem Orchester aus dem Tritt gekommen wäre. Und, wo wir schon beim vergeblichen Wunschkonzert-Auflisten sind: eine Regie, die klüger ist, als man selbst es von sich bei der Draufsicht auf das szenische Durcheinander erhofft, hätte dem komplexen Material auch nicht geschadet. Ein Konzept, das mehr aus Verdis (bekanntlich arg hanebüchenem) Plot herausgearbeitet hätte als viel Holzhammer-Küchenpsychologie, eine dekorative Bebilderung oder einige vor allem sonderbare Szeneneinfälle.

Weil es in der Handlung – irgendwas mit Kindsmord, Rache, Bürgerkrieg und herausfordernden Dreiecksverhältnissen – kaum Logisches zum gedanklichen Festhalten gibt, bleibt als Faszinosum weitestgehend Verdis zupackende, mit allen Mitteln zaubernde Musik. Das ausdrucksstarke, vielfach zu nuancierende gesungene Wort. Rollengestaltung, Charakterhörbarmachung, das Entblößen innerer und äußerer Kämpfe mit dem Schicksal, das einem die Handlung tief ins Herz rammt.

Mehr zum Thema

Solide bis gut gelang das Alexander Roslavets in seiner Nebenrolle als Ferrando. Danach, mit dem Wachsen der Herausforderungen, ging es eher bergab mit dem Hauptrollen-Ensemble: Aleksei Isaevs sang seinen Graf Luna arg drastisch eindimensional und bevorzugt dröhnend. Guanqun Yu hatte als Leonora anrührende Momente und nicht nur die nötige Strahlfreude, sondern auch entsprechend punktgenau eingesetzte Glanzlichter in ihren Auftritten. Im Laufe des Dramas verließen sie allerdings ihre Kräfte, Anstrengendes hörte sich mehr und mehr eingeengt an.

Wütende, frontal boshafte Buhrufe für den Titel-Tenor

Gwyn Hughes Jones war als Manrico ein Tenor im ständigen Clinch mit seiner Rolle: Sie sang ihn, sie beherrschte ihn und nicht umgekehrt. Schon in weniger heiklen Stücken und weniger schweißtreibenden Paraderollen ist das kein schöner Zustand. Dass ihm das hohe C in der „Di quella pira“-Stretta im dritten Akt entgleiste, brachte ihm wütende, frontal boshafte Buhrufe aus dem Premierenpublikum ein. Als Azucena hätte neben ihm Elena Maximova groß und beeindruckend abräumen können, die Partie hat ja Stoff genug für mindestens zwei. Doch von ihr kam vor allem metallische Härte anstatt einer komplexen, traumatisierten Persönlichkeit.

Regisseur Immo Karaman und Bühnenbildner Alex Eales konzentrierten ihre Inszenierung von Verdis „Il trovatore“ in einen mehr und mehr zerstörten Palast hinein.
Regisseur Immo Karaman und Bühnenbildner Alex Eales konzentrierten ihre Inszenierung von Verdis „Il trovatore“ in einen mehr und mehr zerstörten Palast hinein. © (c)Brinkhoff-Moegenburg | Brinkhoff-Moegenburg

Und was war das, was Regisseur Immo Karaman sich als Drama-Tableau zurechtgelegt und dann durchgezogen hatte? Ein morscher, von Akt zu Akt zerstörterer Palast, in dem Azucena als Undercover-Dienstmädchen auf- und untertaucht. Mehrfaches Einfrieren des Geschehens, um aus diesen Standbildern heraus Anlauf für die nächste Handlungs-Volte zu nehmen. Treppen und Türen wurden zum Servieren und Abräumen von Schauwerten genutzt: Hier mal eben eine Rein-Raus-Zirkuskapelle.

Staatsoper Hamburg: Im Unhappy End wird aus dem besungenen Schafott eine Pistole

Dort – wir sollen in Spanien sein, da darf einem schon mal etwas spanisch vorkommen – einige Herren in den Semana-Santa-Kapuzen der Karwochen-Prozessionen. Wann immer es sich halbwegs anböte, wird mit dem Feuer gespielt, als Rückblende-Idee, zurück zur mörderischen Vorgeschichte – mal wird ein Dienstmädchen angezündet, mal brennt es nur in einem Kinderwagen. Überhaupt, Bürgerkrieg, Gewalt, das Böse, immer und überall ausbrechen könnend: Luna hat gut sichtbar auf einem Tisch eine Dienstmagd zu vergewaltigen.

Erinnert oder bereut jemand etwas, schieben sich geschwärzte Rachegestalten wie Qualm ins Bild. Das Palast-Personal wird gern mit dem Gesicht zur nächstbesten Wand abgestellt; das singende Personal parkt die Regie allzu oft statisch mittig, damit es dort darbend ein bis zwei Arme heben kann, bis es wieder weitergeht im Stück. Und Leonora benötigt lediglich die Pause zwischen dem zweiten und dem dritten Akt, um gut sichtbar blitzschwanger geworden zu sein. Im Unhappy End wird aus dem besungenen Schafott eine Pistole, es sterben auch mehr, als von Verdi vertont. Ist dann aber auch schon egal.

Weitere Vorstellungen: 20. / 23. / 26. / 30.3 und 3. / 7.4. Infos: www.staatsoper-hamburg.de