Hamburg. Joyce DiDonato und das Ensemble Il Pomo D‘Oro verzauberten das Elbphilharmonie-Publikum mit Meisterwerken von Carissimi und Purcell.

  • Große Emotionen gab es in der Elbphilharmonie Hamburg Mitte Februar
  • Mezzosopranistin Joyce DiDonato verzauberte das Publikum mit ihrer Bühnenpräsenz
  • Wie das Stück auch ohne Bühnenbild und Kostüme punkten konnte

Hefte raus, Musikgeschichtsklausur! Ganz so strikt war der pädagogische Konzeptgedanke hinter dem Tour-Programm von Joyce DiDonato und dem Fachkräfte-Ensemble Il Pomo D’Oro wohl nicht. Doch diese gewagte Idee, ein sehr frühbarockes, sehr stilprägendes Oratorium aus Rom mit einer ebenso hochdramatischen wie kompakten englischen Oper aus der Ära von George I. zu kombinieren, die funktionierte ganz prächtig.

Carissimis „Jephta“ erzählt – im Schnelldurchlauf, in unter einer halben Stunde! – die alttestamentarisch grausame Geschichte eines Vaters, der Gott seine Tochter als Opfer übergeben muss, weil er ihm als Dank für dessen Beistand gegen Feinde ein nicht ganz wasserdichtes Versprechen gegeben hatte. Purcells Geniestreich „Dido and Aeneas“, 50 Jahre später geschrieben, schafft es, in einer Stunde mehr Antike-Action, lustig überdrehten Bühnenzauber, pralle Lebensfreude und zeitlos schmerzhafte Seelenqualen zu vermitteln als etliche Fleißarbeiten aus dem frühen 17. Jahrhundert in der dreifachen Zeit.

Elbphilharmonie Hamburg: Eine Drama-Queen bittet im Großen Saal zum Konzert

Wie es sich für eine amtliche Drama-Queen gehört, teilte sich DiDonato ihre „stage time“ als Zentralgestirn des Abends im Großen Saal der Elbphilharmonie wirkungsmächtig ein, kostete jeden Ton mit ihrem samtgoldenen Mezzo und den entsprechenden Posen aus, war als Herrscherin von Karthago, von amouröser Gram in den Tod getrieben, ganz Primadonna, umgeben von einem handverlesenen Ensemble aus tollen, ihr ebenbürtigen Stimmen. Dass nicht nur das Orchesterchen, sondern auch dessen kleiner, extrafeiner Chor oberhalb von erstklassig mit den ästhetischen und virtuosen Anforderungen dieser höchst vitalen Altertümer umzugehen wusste, wurde schon beim Carissimi glasklar: prägnant und straff, mit wunderbar aufeinander abgestimmten Einzelleistungen.

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Die US-amerikanische Mezzosopranistin Joyce DiDonato ist enorm wandlungsfähig in ihren Bühnenrollen. Bei ihrem Auftritt in der Elbphilharmonie glänzte sie in Purcells Oper „Dido and Aeneas“ als tragisch endende Herrscherin von Karthago.
Die US-amerikanische Mezzosopranistin Joyce DiDonato ist enorm wandlungsfähig in ihren Bühnenrollen. Bei ihrem Auftritt in der Elbphilharmonie glänzte sie in Purcells Oper „Dido and Aeneas“ als tragisch endende Herrscherin von Karthago. © Sergi Jasanada | Sergi Jasanada

Maxim Emelyanychev, ein unermüdlich antreibender Tutti-Motor am Cembalo, ließ hier nicht einen Takt, nicht eine noch so kleine Continuo-Phrase unpoliert an sich vorbeiziehen. Derart klug und intensiv von funkelnder Musik umrahmt, war es für das Ensemble als Ganzes ein Leichtes, im Purcell auch ohne Bühnenbild, Regie oder Kostüme zu punkten. Fatma Said ließ ihre dankbare Nebenrolle als Belinda elegant aufblühen, Andrew Staples war als Aeneas zunächst noch kein strahlender Heldentenor, legte aber schnell zu.

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Beth Taylor, großartig gecastet für die Rolle der fiesen Zauberin (nur echt mit viel Donnerblech-Lärm bei jedem Erscheinen und zwei überdrehten Assistenz-Hexen aus dem Chor), spielte herrlich überdreht, selbst Hugh Cuttings Kürzestauftritt als Countertenor-Geist war schon eine Freude. Aber die atemlose Stille, mit der rund 2000 Menschen gebannt an den Lippen von DiDonato hingen, als sie sich zum unhappy end mit „Dido’s Lament“ vom Leben verabschiedete – so etwas kann man nicht lernen. Das muss man, aus tiefstem Herzen, können.

Aktuelle Aufnahmen: Händel „Theodora“ Joyce DiDonato, Il Pomo D‘Oro u.a. (Erato, 3 CDs ca. 24 Euro). Fatma Said „Kaleidoscope“ (Warner Classics, CD ca. 13 Euro)