Hamburg. Ein Starautor schrieb das Drehbuch für den Sechsteiler über den Starautor schlechthin: eine glorreiche Komödie mit vielen Stars.

Kafka, eine Komödie? Der Deuter des modernen Menschen als Schuldigen, über den permanent gerichtet wird, als jemand, der dem Gesetz des Tätigseins unterliegt. Fremdbestimmung, Selbstentfremdungen, Begrenzungen, das waren die Themen des Literatur-Giganten aus Prag, der 1883 geboren wurde und 1924 starb. Es ist also Kafka-Jahr, großartig. Einen Kinofilm gibt es und auch einen Sechsteiler im Fernsehen. Er ist nicht weniger als sensationell.

Weil „Kafka“, eine ORF-Produktion mit ARD-Support inklusive NDR, Kafka auf komödiantische Weise als Komödianten darstellt. Dass Kafka seine Schock-Texte zum Lachen fand, weiß man spätestens seit Rainer Stachs Maßstäbe setzender Biografie in drei Bänden. Stach war nun auch an der unter anderem mit Joel Basman, Liv Lisa Fries, David Kross, Nicholas Ofczarek, Robert Stadlober und Marie-Lou Sellem besetzten Serie beteiligt. Kein anderer als Bestsellerautor Daniel Kehlmann schrieb das Drehbuch, gemeinsam mit dem österreichischen Romancier und Fernsehautor David Schalko („Braunschlag“).

ARD: Eine Miniserie erzählt das Leben des Giganten Franz Kafka

Und, Mensch, ist das alles gut, gerade auch in dieser Melange aus smarter Miniserie, Arthouse-Kino, existenziellem Ernst (Kafkas Krankheiten, der autoritäre Vater, Weltkrieg, Antisemitismus, Holocaust) und abgründigem, hintergründig albernen Witz. Dafür wird viel aufgefahren, auch in den Nebenrollen. Gastauftritte haben unter anderem Charly Hübner als Leipziger Verleger Rowohlt und – großartig – Lars Eidinger als Dichterfürst Rainer Maria Rilke. Außerdem: Autor Kehlmann ganz kurz als Dichterfürst Arthur Schnitzler.

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Es gibt 350 Seiten an vollendeten Kafka-Texten, dazu Fragmente, Manuskripte und vor allem Briefe. Daraus bedienen sich die Macher der Serie, die sich in sechs formvollendeten Teilen all dem widmet, was Germanisten über Kafka und den Mythos Kafka wissen oder zu wissen glauben. Es geht um Kafkas wahre Berufung zum Künstler, die mit dem Brotberuf des Juristen und Versicherungsfuzzis konkurrierte, seine Beziehung zum Unterdrücker-Vater, zum Judentum und den großen Lieben seines Lebens, sie alle wurden Figuren der Weltliteratur: Felice Bauer, Milena Jesenská und Dora Dymant.

ARD-Serie „Kafka“ als TV-Ereignis des Jahres

Seine Freundschaft mit Max Brod (sehr gut: David Kross), dem Mann, der ihn postum „machte“ und Kafkas Werk, anders als von Kafka intendiert, nicht vernichtete, wird in „Kafka“ zur schieren Buddy-Komödie. Die Dialoge sind hier alle hervorragend arrangiert, es sind nicht selten Originalzitate. Brod glaubte an den Schriftsteller Kafka, als noch niemand an ihn glaubte, schon gar nicht Kafka selbst. Auf einer Zugfahrt, Brod sagt: „Du wirst nie ein Schriftsteller, wenn du nicht schreibst.“ Kafka antwortet: „Ich schreib ja.“ Brod: „Schreib mehr.“ Kafka: „Dann wird es nicht gut genug.“ Brod: „Es wird schon gut genug.“

Franz Kafka (Joel Basman), Hermann Kafka (Nicholas Ofczarek), Julie Kafka (Marie-Lou Sellem) und Ottla Kafka (Maresi Riegner, v. l. n. r.): Die österreichische Serie „Kafka“ ist in allen Rollen großartig besetzt.
Franz Kafka (Joel Basman), Hermann Kafka (Nicholas Ofczarek), Julie Kafka (Marie-Lou Sellem) und Ottla Kafka (Maresi Riegner, v. l. n. r.): Die österreichische Serie „Kafka“ ist in allen Rollen großartig besetzt. © NDR/Superfilm | NDR

Es gibt eine Erzählerstimme, die ironisch (und munterer als bei Scorsese) das Geschehen, das Sein und Werden des Franz Kafka einordnet. Manchmal sprechen die Akteure den Zuschauer direkt an. Es gibt die literarische Metaebene, etwa als Brod und seine Frau den letzten Zug aus Tschechien heraus bekommen („Dieser Übergang war nur für Sie da“). Es gibt das surreale, das natürlich kafkaeske Element, die Bedrohung: Der arme Kafka träumt, logisch; und er sieht am helllichten Tag die Männer, die ihn, den ewigen Joseph K., abholen wollen. Gerade in seinen Liebesbeziehungen fühlte sich Kafka verurteilt. Die weltberühmten Liebesleiern werden pointiert gezeigt, Kafka mochte das Schreiben mehr als die Frauen. Er hielt sie auf Abstand. Und war schuldig.

„Kafka“ in der ARD: Eine Miniserie als kunstvolle und kurzweilige TV-Erzählung

Es gibt das keckernde Lachen des formidablen Kafka-Darstellers Joel Basman. Es gibt die grandiosen Szenen mit dem Ungeheuer von Vater (Nicolas Ofczarek), der beinah einen Herzanfall bekommt, als Kafka einen Theatermann mit zum Abendessen bringt, der Jiddisch spricht. „Ungeziefer bringst du mir ins Haus“ fährt der Vater Kafka an. Und dann materialisiert sich die Imagination Kafkas auf dem Bildschirm, die berühmteste Erzählung des 20. Jahrhunderts: „Die Verwandlung“.

Eine Tagebuchaufzeichnung beschließt die Beschäftigung Kafkas mit seinen Wurzeln: „Was habe ich mit Juden gemeinsam? Ich habe doch kaum mit mir selbst was gemeinsam?“ „Kafka“ ist eine kunstvolle, kluge, kurzweilige Erzählung: auf seine Weise das TV-Ereignis des Jahres. Da haben die im Presseheft zitierten Literatur-VIPs, sie sind Freunde Daniel Kehlmanns, schon recht. Salman Rushdie („Eine großartige Reverenz“ an Kafka) wird dabei von Ian McEwen noch getoppt: „‚Kafka‘ ist einfach brillant.“

Kann man so steh‘n lassen.

„Kafka“ ist ab dem 20. März in der ARD-Mediathek abrufbar. Am 26. und 27. März läuft die Serie im lineraren Programm, jeweils um 20.15 Uhr.

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