Hamburg. Im demolierten Hamburg leben nur noch ein paar Versprengte. Virenfrei ist eine kleine Insel: „Helgoland 513“ ist sehr deutsch.
Deutsche Sky-Produktionen wird es künftig nicht mehr geben. Demgemäß ist „Helgoland 513“ nun das Ende vom Lied, das beim Pay-TV-Sender („Das Boot“) insgesamt halt auch nur leidlich erfolgreich gesungen wurde – „Babylon Berlin“ war noch ganz okay. Der Schlussakkord ist eine gewissermaßen formvollendete Endzeitgeschichte, in der die Menschheit insgesamt geliefert ist.
Schuld ist ein Virus, kein ganz originelles Motiv auch bei deutschen Serien derzeit. Auf Helgoland (gedreht wurde aber anderswo, unter anderem auf Amrum und Sylt) haben im Jahr 2039 genau 513 Menschen Platz gefunden, die sich von der restlichen Menschheit und der tödlichen Hautkrankheit isolieren, aber wegen des Versorgungsengpasses dezimiert bleiben müssen – die Insel der letzten Glückseligen.
Na ja, zumindest fast. Regisseur und Drehbuchautor Robert Schwentke sieht für die Inselleute ein eher albtraumhaftes Szenario vor. Ein Punktesystem – China fällt einem da ein – bemisst den Wert der Bürgerinnen und Bürger. Wer nicht nützlich oder unsozial ist, rutscht in der Liste ab; es droht der Tod im Watt oder der Sturz über die Klippen. Wenn ein Baby geboren wird, muss der Tabellenletzte dran glauben.
Neue Serie „Helgoland 513“ auf Sky: Die Elbphilharmonie ist kaputt, alles andere auch
In der ersten Folge stürzt gleich einer ins Meer. Es gibt eine Insel-Miliz, die hart durchgreift, besonders auch gegen die, die vom Festland kommen und auf der Insel leben wollen. Ja, das kann der Deutsche gut, auch, wenn alles schon fast zu Ende ist. Eine Diktatur errichten, Menschen deportieren, brutal totalitäre Regeln durchsetzen.
Der Arzt Marek (Alexander Fehling) forscht gemeinsam mit seinem Sohn Linus (Tobias Resch) unter erschwerten Bedingungen fast skrupellos an einem Impfstoff. Auch Insel-Despotin Beatrice (Martina Gedeck), die mit unbeirrbarer Energie eine bis dahin funktionierende Gemeinschaft schmiedete, hat einen Sohn: den sinistren Hendrik (László Branko Breiding).
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Beide Söhne reisen, gemeinsam mit bewaffneten Inselbewohnern, aufs Festland. Nur Forscher Linus darf anschließend zurückkehren, er tut es nach einem Kontakt mit dem Virus: Auf Helgoland wird ihm das doppelt Probleme bereiten.
Hendrik dagegen, der Verstoßene, muss in dem zerstörten Hamburg bleiben. Die Elbphilharmonie ist demoliert (Spezialeffekte verrichten ihr Werk), die ganze Stadt von Banden und der Natur ruiniert. Eine schaurig-schöne Wrack-Kulisse nach dem Weltuntergang, fast so imposant wie bei „The Last of Us“.
Schade, dass die Story insgesamt nicht länger in Hamburg bleibt, wo es einen Herrscher (Samuel Finzi) über die verbliebenen Versprengten gibt: „Ich bin der Graf von Hamburg oder was davon übrig ist.“ Andere halten den Ort (Hendrik: „Hamburg ist ein Drecksloch. Früher oder später wirst du draufgehen“) für Gomorrha, jedenfalls das Anti-Helgoland: In Hamburg essen sie ja auch notgedrungen Menschen. Man tauscht Medizin gegen auf der Insel angebaute Nahrungsmittel. Auf den Clash der beiden Welten steuert die Handlung dramaturgisch zu.
TV-Serie „Helgoland 513“: Konflikte der Inselbewohner als Handlungstreiber
Im Zentrum des Geschehens stehen die Kompagnons/Antipoden Marek und Beatrice, wobei die Backstory ihrer Beziehung und der Entstehung der Überlebensgemeinschaft erst spät erzählt wird. Die besten Momente von „Helgoland 513“ sind die der bösen Ironie: Wenn deutsche Schlagerqual – Milva, Jürgen Marcus, Howard Carpendale – über das brutale Geschehen gelegt wird, bekommt „Helgoland 513“ einen grotesken Touch.
Im klaustrophobischen, intimtyrannischen Setting der isolierten Kommune sind die alten und neuen Konflikte der Bewohner der Handlungstreiber. Aber wie soll es anders sein bei einem sehr deutschen (Nur-)Siebenteiler, es ist nicht ausreichend Platz für suggestive, atmosphärische, im Zweifel auch mal langsame Szenen.
Die Figurenentwicklung ist insgesamt oft schwach; da wird zu viel behauptet und nicht gezeigt. Die Dialoge bauen im Laufe der Handlung auch ab, zum Beispiel, als sich Beatrice (Martina Gedeck hat man definitiv schon in besseren Rollen gesehen) ganz plump dann auch mal als Bannerträgerin des Matriarchats outet: „Die Männer hatten ihre Chance, jetzt übernehme ich die Insel.“
Spannungsvoll ist „Helgoland 513“ aber, ein Apokalypse-Thriller mit Nordseeinsel-Flair in dessen düsterster Version. Zu Ende erzählt sein muss hier noch gar nichts; es bleibt abzuwarten, wer sich nach dem Sky-Ausstieg einer Fortsetzung annehmen könnte.
„Helgoland 513“ ist ab dem 15. März auf Sky/Wow abrufbar.