Hamburg. Der französische Bestsellerautor kritisiert vor Hamburger Publikum, wie wir als Gesellschaft mit dem Alter umgehen. Nämlich: schlecht.
Didier Eribon ist ein Star. Und deswegen ist Kampnagel auch ausverkauft, als der französische Soziologe sein dieser Tage auf Deutsch erscheinendes Buch „Eine Arbeiterin – Leben, Alter und Sterben“ vorstellt. Sein „Rückkehr nach Reims“ stand ab lange auf den Bestsellerlisten, wurde interpretiert als Erklärung, weswegen die Arbeiter sich von der Linken ab- und der politischen Rechten zuwandten und wurde auch fürs Theater und fürs Fernsehen adaptiert – ein Buch, dessen soziologische Analyse etwas über die Gegenwart auszusagen schien.
Mit „Eine Arbeiterin“ geht Eribon ähnlich vor. Basis ist wieder ein persönliches Erlebnis, nämlich Krankheit, Tod und Sterben der Mutter. Von der Beobachtung ausgehend, wie die alte Frau in ein Pflegeheim zieht und innerhalb von wenigen Wochen stirbt, stellt das Buch die Frage, wie wir als Gesellschaft mit dem Alter umgehen, weswegen das Alter von allen politischen und gesellschaftlichen Akteuren ignoriert wird? Eribon meint, dass soziale Bewegungen auf Aktion setzen würden, was Alte ausschließe: Wer nicht mehr stehen kann, der kann auch nicht demonstrieren. Vielleicht beschreibt der Autor damit die französischen Verhältnisse und ignoriert deutsche Phänomene wie die „Omas gegen Rechts“, im Grunde hat er aber recht.
Star-Soziologe Didier Eribon auf Kampnagel: „Alte interessieren niemanden“
Ein wenig freilich holpert die Diskussion. Moderatorin Julie Müller stellt lange, kenntnisreiche Fragen auf Französisch, die zunächst von Svenja Huckle ins Deutsche übersetzt werden, Eribon antwortet auf Französisch, Huckle übersetzt, Müller stellt die Anschlussfrage auf Französisch – ein echtes Gespräch kommt so nur schwer zu Stande, was allerdings vom Charme des Autors abgemildert wird.
Und von seinem schonungslosen Blick aufs eigene Umfeld. Simone de Beauvoirs „Das andere Geschlecht“ (1949) sei bis heute ein Schlüsseltext unter anderem für ihn gewesen, erklärt er. Kaum jemand wisse aber, dass die Autorin 21 Jahre später einen Aufsatz namens „Das Alter“ geschrieben habe, ebenfalls ein wichtiger Text – aber weitgehend unbekannt. Alter interessiert einfach niemanden.
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Was auch etwas sagt über einen Autor, der vor einigen Jahren einen Schlüsseltext über den Aufstieg des Rechtspopulismus veröffentlichte und jetzt über seine alte Mutter schreibt. Wobei, das Publikumsinteresse auf Kampnagel ist ein Hinweis darauf, dass es Eribon besser ergehen dürfte als de Beauvoir.