Hamburg. Twitch-Streamer „Staiy“ zockt am Computer, ein klassisches Orchester und eine Geräuschemacherin liefern den passenden Livesound.

Wenn das Publikum fast ausschließlich aus Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren besteht, wenn die wenigen Erwachsenen im Saal ein paar begleitende Lehrer und Eltern sind, dann ist vielleicht etwas anders in der Elbphilharmonie, als an einem anderen Abend, an dem ein Konzert mit Kammerorchester auf dem Programm steht.

Dann trägt der Dirigent zu seinem Schwarz eben auch mal pinke Sneaker. Dann werden die Musiker schon bei ihrem Erscheinen auf der Bühne mit lautem Gejohle und begeisterten Pfiffen begrüßt. Und dann kann und wird es auch passieren, dass bereits geklatscht wird, wenn die Musik noch gar nicht zu Ende ist.

Elbphilharmonie: Twitch-Streamer Staiy tritt live vor Publikum auf

Es mag daran liegen, dass einer derjenigen, die an diesem Abend in der Elbphilharmonie spielen, tatsächlich „spielt“ – und zwar am Computer. „Staiy“ ist der Name des – im Vergleich zu seinem jugendlichen Publikum nicht mehr ganz so jungen – Mannes, ein Künstlername freilich. Mehr als 300.000 Menschen „folgen“ dem Mann allein auf der Streaming-Plattform Twitch, er ist seit Langem auf der Video-Plattform YouTube erfolgreich. Wenn man es vereinfacht ausdrücken will, schauen sie ihm dabei zu, wie er an seinem Computer spielt.

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Dieses gar nicht mehr so junge Phänomen schafft es immer wieder, die Generation der Teenager in Massen zu begeistern. Die „Gamer“ werden zu absoluten Mega-Stars einer bestimmten Altersgruppe und sind gleichzeitig weiten Teilen der Restbevölkerung völlig unbekannt. Ist eben so. Umgekehrt ist es ja häufig nicht anders.

Computerspiel in der Elbphilharmonie mit passendem Sound vom Orchester

Das Konzertformat „Let’s Play“, mit dem an diesem Montag die Elbphilharmonie „in eine Gaming-Arena verwandelt“ werden sollte, hat sich womöglich zum Ziel gesetzt, diese beiden Welten zu kombinieren. Hier das massenbegeisternde Computerspiel, dort die klassische Musik in einem Konzerthaus-Ambiente wie in der Elbphilharmonie.

Jochen Neuffer dirigiert das ensemble reflektor beim Let‘s-Play-Konzert in der Elbphilharmonie
Jochen Neuffer dirigiert das ensemble reflektor beim Let‘s-Play-Konzert in der Elbphilharmonie © Sebastian Madej | Sebastian Madej

Kann das gelingen? Zumindest waren die Reihen nahezu vollständig besetzt – mit Ausnahme der Sitze hinter der großen Leinwand, die frei bleiben mussten, um den nicht unwesentlichen Teil des Abends auch sehen zu können. Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass ein Teil der Schülerinnen und Schüler dem sanften Druck eben jener begleitenden Lehrer und Eltern gefolgt ist.

Das ensemble reflektor zeigt sich glänzend aufgelegt

Wie auch immer: Sie haben Musik von einem glänzend aufgelegten ensemble rekflektor zu hören bekommen, das die Moderatorin des Abend als „eine Art Start-up der Orchesterbranche“ angekündigt hatte. Das norddeutsche Kammerorchester unter der Leitung von jenem pinkbeschuhten Dirigenten Jochen Neuffer sieht sich selbst als Botschafter einer Musikkultur ohne Grenzen.

Geräuschemacherin Simone Nowicki nutzte allerlei Haushaltsutensilien, um den Spielfiguren den richtigen Klang zu verleihen.
Geräuschemacherin Simone Nowicki nutzte allerlei Haushaltsutensilien, um den Spielfiguren den richtigen Klang zu verleihen. © Sebastian Madej | Sebastian Madej

Sie haben mit Simone Nowicki eine Geräuschemacherin erlebt, die mit allerlei Haushaltsutensilien (darunter etwa Lametta, Salatschleuder und Sodastream-Maschine) mit einer beeindruckenden Konzentration und Präzision die richtigen Laute zu den Bewegungen der Spielfiguren auf der Leinwand kreierte.

Das Orchester schaffte immer wieder Klänge wie die große Filmmusik

Und sie haben den Gamer „Staiy“ erlebt, der zumindest an diesem Abend ein wenig den Beweis schuldig geblieben ist, warum Hunderttausende ihm beim Spielen zuschauen wollen. Die Dialoge mit der Moderatorin Charlotte Oelschlegel wirkten etwas angestrengt. Sollten Sie dem Publikum doch eigentlich den Inhalt der beiden an diesem Abend „gezockten“ Spiele näherbringen, gelang dies nur bedingt. Wer „Lost Ember“ und „Journey“ nicht kannte, der dürfte Schwierigkeiten gehabt haben, die Ziele der Spiele zu verstehen.

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Aber das war vielleicht auch gar nicht so wichtig. Denn womöglich war auch hier der Weg das Ziel. Die Musik klang wunderbar zu den Bildern, die zumindest bei „Lost Ember“ auch mal abwechslungsreiche Landschaften einer Fantasywelt zeigten. Das Orchester verstand es überzeugend, Stimmungen wie Spannung und Entspannung, wie Hektik und Aufregung mit einem Sound darzustellen, der immer wieder an eine große Filmmusik erinnerte.

Elbphilharmonie: Publikum reagiert mit Gejohle und begeisterten Pfiffen

Wie in einem Kinofilm endete auch dieser etwas andere Abend in der Elbphilharmonie, der am Dienstag so oder so ähnlich wiederholt und auch auf Twitch live gestreamt werden soll. Teile des Orchesters wurden zum Chor und sangen zu den letzten Klängen des Soundtracks der Computerspiele, während auf der Leinwand der „Abspann“ lief. Das jugendliche Publikum verabschiedete die Künstler so, wie sie sie 90 Minuten zuvor begrüßt hatte. Mit lautem Gejohle und begeisterten Pfiffen.