Hamburg. Béla Fleck kam mit seiner All-Star-Band My Bluegrass Heart in den Großen Saal: Furiose Soli und ein wilder Ritt über die Prärie

Nashville ist weit. Genau 7255 Kilometer von Hamburg entfernt. Gut, dass es die Elbphilharmonie gibt. Denn die bringt ein Stück Nashville an die Elbe. Und zwar in Gestalt des Banjo-Virtuosen Béla Fleck und seiner All-Star-Band My Bluegrass Heart. Fleck ist der Bandleader, aber er präsentiert sich nicht als der im Mittelpunkt stehende Chef seines hochkarätigen Ensembles. Er ist der „primus inter pares“ inmitten der fünf Musiker und einer Musikerin, die sich in einem Halbkreis auf der Bühne der Elbphilharmonie aufgestellt haben – und von Beginn an in einem Tempo loslegen, dass einem angesichts der Fingerfertigkeiten jedes Einzelnen schwindlig wird.

Da ist die Mandolinenspielerin Sierra Hull. Mit elf Jahren wurde sie schon als „Wunderkind“ bezeichnet, heute gilt sie als eine der besten Virtuosinnen auf ihrem Instrument. Singen kann sie auch noch. An diesem Abend oft gemeinsam mit ihrem Mann Justin Moses, dem Multiinstrumentalisten der Band. Er spielt nicht nur Dobro, das ist eine gezupft gespielte Resonatorgitarre, sondern auch Banjo und Geige. Bassist Mark Schatz, der später auch seine Fähigkeiten als Stepptänzer demonstriert, musiziert seit den 70er-Jahren zusammen mit Fleck und ist das rhythmische Rückgrat der Combo, denn ein Schlagzeug gibt es im traditionellen Bluegrass nicht. Gitarrist Bryan Sutton gehört zu den gefragten Session-Musikern in Nashville, er nimmt aber auch unter seinem Namen eigene Platten auf.

Béla Fleck in der Elbphilharmonie: viel mehr als nur ein begnadeter Banjospieler

Mit Preisen überhäuft wird immer wieder Geiger Michael Cleveland. Er wurde blind geboren und hat bereits als Kleinkind 80 Prozent seiner Hörfähigkeit verloren. Mit vier Jahren hat er angefangen, Geige zu spielen, mit seinem unfassbar schnellen Spiel löst er in der Elbphilharmonie Begeisterungsstürme aus.

Und dann ist da noch Béla Fleck, der mehr ist als nur ein begnadeter Banjospieler. Der 15 Grammys nicht nur als Country-Musiker, sondern auch in den Kategorien von Pop, Jazz und World Music gewonnen hat. Der mit dem Jazz-Pianisten Chick Corea gearbeitet hat und nach Afrika gepilgert ist, um dort die Wurzeln des Banjos zu entdecken. Und der sich beim Hamburger Konzert vor George Gershwin verneigt, dessen Komposition „Rhapsody In Blue“ er als mitreißenden Bluegrass interpretiert.

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Mehr als zwei Stunden gibt My Bluegrass Heart im ausverkauften Großen Saal Vollgas. Furiose Soli wechseln sich ab, die instrumentalen Nummern gleichen einem wilden Ritt über die Prärie. Bluegrass, in Kentucky und Tennessee entstanden, ist amerikanische Volksmusik, bei der es fast immer mit Höllentempo nach vorne geht. Ganz selten gibt es melancholische Momente, richtige Country-Balladen fehlen. Jeder im Saal sieht die perfekte Abstimmung und spürt die Spielfreude des Ensembles. Dieses mitreißende Gefühl überträgt sich aufs Publikum, das vehement Zugaben fordert und zum Ende ein fünfzehnminütiges Potpourri an Bluegrass-Krachern bekommt. Jetzt ist Nashville nah.