Hamburg. Wieder überzeugt der ausgezeichnete Schauspieler Jascha Schütz am Theater Das Zimmer. In Goethes berühmtem Briefroman gibt er in Horn ein Heimspiel.

Werther schreibt. Seinem Freund Wilhelm berichtet er von einem Mädchen, das er kennengelernt hat. „Ich habe eine Bekanntschaft gemacht, die mein Herz näher angeht“, heißt es in Goethes 1774 veröffentlichtem Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“. Aus dieser Begegnung entwickelt sich ein Liebesdrama mit blutigem Ende. Es ist eine Geschichte, wie gemacht für Bühne und Film, für die es keine großen Räume braucht. Das Theater Das Zimmer, mit knapp 40 Plätzen Hamburgs kleinste Bühne, hat jetzt den „Werther“ auf den Spielplan genommen und mit Jascha Schütz einen herausragenden Protagonisten gewonnen. Der Rolf-Mares-Preisträger Schütz hat in Horn ein Heimspiel, denn hier stand er auch schon als später preisgekrönter „Woyzeck“ und als Kriegsheimkehrer Beckmann in „Draußen vor der Tür“ auf der kleinen Bühne.

Wenn Schütz zur Gitarre greift und das Thema von „What A Wonderful World“ spielt, wirkt er wie ein romantischer Popstar, der seine Gefühle in schönen Worten ausdrückt. Anfangs noch sehr verhalten, doch schon bald wird ihm schwindelig beim Gedanken an die hübsche Lotte, „das liebenswürdigste Geschöpf“. Werthers Gedanken sind pure Romantik, doch Schütz übertreibt nicht. Er entgeht der Pathos-Falle und beschreibt seine Gefühle in ruhigen Worten. Doch immer ist zu spüren, wie es in ihm brodelt und er kurz davor ist, sich im verliebten Überschwang in die Lüfte zu erheben. Anders als bei Philip Hochmairs berühmtem „Werther!“-Solo (feierte 2009 im Thalia an der Gaußstraße Hamburg-Premiere) hat Regisseur Björn Kruse seinem Werther die angebetete Lotte (Isabella Ginocchio) an die Seite gestellt. Werthers Nebenbuhler Albert bleibt jedoch ausgespart, ein brauner Stuhl symbolisiert Lottes späteren Ehemann.

„Werther“ auf Hamburgs kleinster Bühne: Es macht großen Spaß, Jascha Schütz zuzusehen

Angesichts Alberts nimmt Werthers Contenance immer mehr ab. Nach außen pflegt er ein freundliches Verhältnis zu Lottes Verlobten, doch innen sieht es anders aus. Es macht großen Spaß, Jascha Schütz dabei zuzusehen, mit welchem Gespür er die verschiedenen Seelenzustände seiner Figur zeigt. Immer wieder bricht sich die Verzweiflung Bahn, wenn er etwa Lottes Klavierspiel mit einem Schlag auf die Tasten brutal unterbricht oder sie in einem maßlosen Übergriff versucht zu küssen. Dann tobt er und weiß nicht, wohin mit sich. Doch meist geht sein Schmerz nach innen, ruhig erkennt er die Aussichtslosigkeit seiner Liebe und lotet die Grenzen seiner Gefühle aus. Auch Isabella Ginocchio hat im zweiten Teil der eineinhalbstündigen Inszenierung Gelegenheit ihre Gefühlsverwirrung zu zeigen, wenn sie Werther nach einem Ausbruch um Mäßigung bittet.

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Zum dritten Mal hat Regisseur Björn Kruse mit Jascha Schütz zusammengearbeitet, und wieder ist dabei ein starker Theaterabend herausgekommen. Schütz, Jahrgang 1996, gilt als größtes Talent der freien Hamburger Theaterszene. Der junge Schauspieler besitzt hohe sprachliche Qualitäten und ein ausgeprägtes Gefühl für spielerische Nuancen. Er nimmt das Publikum mit auf eine Reise in das Innerste seiner Seele und seines Herzens. Das Premierenpublikum ist restlos begeistert von beiden Schauspielern und klatscht sie immer wieder zurück auf die Bühne.

Die Leiden des jungen Werther läuft bis zum 25.2., Theater das Zimmer, Karten 29,-/erm. 19,- unter T. 040/6599 1168; www.theater-das-zimmer.de