Hamburg. Das Konzert der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen mit Matthias Pintscher und Leila Josefowicz in der Elbphilharmonie hatte Schwächen.

In der Klassik-Spezial-Berufsbezeichung „Composer-Conductor“ ist, wie bei den Singer-Songwritern in der Pop-Nachbarschaft, die Betonung ungemein wichtig, um Stärken von Schwächen zu trennen: Manche Komponisten dirigieren gern auch vieles, besonders kompetent und überzeugend aber Eigenes; bei einigen anderen ist die Talentverteilung ausgewogener und die Ergebnisse sind entsprechend überzeugender. Dass ein beidseitig begabter Routinier wie Matthias Pintscher sein gerade erst fertiggestelltes Violinkonzert „Assonanza“ durchaus gern auch live noch in den Händen behält und sinnstiftend formt, bildete nun den Mittel- und auch den Höhepunkt des Konzerts der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen in der Elbphilharmonie.

Für Leila Josefowicz hatte er es während der Corona-Zeit als Livestream-Solo geschrieben und anschließend bearbeitet. Das Stück wogt und wabert interessant vor sich hin, bis es einsam ins höchste Nichts verklingt. Der Solo-Part umkreist immer wieder eine tonale Zentralspur, bricht kurz in extreme Temperamentsschwankungen aus, spielt mit den interessanten Verfremdungsmöglichkeiten eines Kammerorchesters. Die Klangmutationen umschließen den Geigen-Part wie ein gut sitzendes Etui, sie reagieren auf und verstärken einfallsreich die Suche der Geige nach dem ersehnten Ausweg.

Elbphilharmonie: Nicht jeder Komponist sollte unbedingt alles dirigieren

Josefowicz liegen solche Herausforderungen, sie zog das Publikum sofort mit sehnigem, schnörkellos klaren Ton auf ihre Seite. Die Bremer sind stilistisch ohnehin vielseitig genug, um sich schnell und geschmeidig auf diese Tonsprache einzustellen. Pintschers Souveränität als Wegbereiniger für die gemeinsame Aufgabe war klar erkennbar. Er wusste, was er wollte, und er vermittelte diese Übersicht tadellos.

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Von den Rahmen-Werken des Abends wiederum lässt sich dieser Eindruck nicht bestätigen. Ravels „Ma mère l’oye“, seine reizend filigranen Kindermärchen-Vertonungen, und Schumanns Erste, die „Frühlingssinfonie“, verbindet reichlich wenig, diese Kombination wirkte beliebig, zusammengelost. Pintschers Umgang mit den beiden Stücken ließ weder erkennen, warum ihm ein französischer Impressionist und ein deutscher Frühromantiker ein Anliegen sein könnten, noch eine eigene Handschrift bei der Umsetzung der Partituren.

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Pintscher arbeitete beflissentlich und gut erkennbar ab, was halt da war, wie bestellt, aber nicht abholend. Dabei ging nichts Grundlegendes zu Bruch, Ravels fantasievolle Delikatesse bei der Instrumentation dieser kleinen Geschichten über Dornröschen, Däumlinge und Monster mit goldenem Herzen blieb ebenso erhalten wie Schumanns jugendlicher Eifer, das Renommier-Großformat Sinfonie begreifen und bewältigen zu wollen.

Doch Pintscher interpretierte eben nicht. Er verwaltete das Geschehen lediglich so korrekt und profilarm, als wäre er lediglich eine Generalproben-Vertretung und der eigentliche Chef käme erst noch. Die Kammerphilharmonie arrangierte sich mit dieser Situation, ohne sich darin auszuruhen, und brachte vor allem den Schumann auf Autopilot sehr ordentlich, aber auch ziemlich konturenarm bis ins Konzert-Finale.

Nächstes Elbphilharmonie-Konzert der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen: 10.4., mit Paavo Järvi (Dirigent) und Nicola Benedetti (Violine): Werke von Schubert und Brahms, evtl. Restkarten.